PDF-Dokument zum Download - Thüringer Landesmedienanstalt
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ProF. Dr. FrIEDrIch KroTZ MEDIEN ENTWIcK lUNG UND DEr BÜrGErFUNK – EINE EINFÜh rUNG<br />
sa tion um . Das Netz wird zur Leit struktur, längs dessen sich die Geschäftsmodelle<br />
realisieren . Und auch hier steht der Wandel – der sich eher noch beschleunigen<br />
als ver lang samen dürfte – erst am Anfang .<br />
Von dem medialen Wandel sind schließ lich auch Kultur und Gesell schaft<br />
als Ganzes berührt . Gesellschafts theorie kann nicht ohne Berücksichti gung<br />
mediatisierter Kommunika tion betrieben werden und wenn man Kultur in Anleh<br />
nung an den Sozial anthropologen Clifford Geertz (1991) als die Menge aller<br />
Sinn vorräte einer Gesell schaft betrachtet, ist Kultur heute Medien kultur (Krotz<br />
2007) . Auch der Mensch muss sich der Frage stellen, in welchem Ver hältnis er<br />
zu Computer und Netzen steht und was ihn un verwechsel bar macht .<br />
Die Kommunikations wissen schaft beschäftigt sich mit diesen Fragen unter<br />
dem Titel der Mediatisie rung und ver steht den Wandel als Metaprozess, also<br />
als über greifenden, nicht an spezifi sche (soziale oder geographi sche) Räume<br />
und auch nicht auf einzelne Kulturen und einzelne Phasen beschränkten Entwick<br />
lungs prozess: von gleicher Art wie Aufklä rung oder Globalisie rung, Kommerzialisie<br />
rung oder Individualisie rung (Krotz 2001, 2007, Lundby 2009) .<br />
Media tisie rung beginnt mit der Menschwer dung durch Sprache, wenn einer<br />
unserer Vorfahren ver sucht, Kommunika tion über konkrete Situa tionen hinaus<br />
auszu dehnen, sie über größere räum liche Distanzen zu führen, sie in der Zeit<br />
halt bar zu machen oder ihr eine besondere ästheti sche Dimension zu geben –<br />
dazu bedarf es der Medien . Die Erfin dung der (alphabeti schen) Schrift und der<br />
Druckmaschine, die Nutzung von Elektrizität und elektri schen Wellen zur Übertra<br />
gung von Zeichen und Worten, die Digitalisie rung von Daten zusammen mit<br />
der Verwen dung der programmier baren Universalmaschine „Computer“ und<br />
deren Vernet zungen auf ganz ver schiedenen Wegen, das sind einige Highlights<br />
der Entwick lung, die wir Mediatisie rung nennen . Es werden neue Techniken<br />
generiert und die Gesell schaft oder Teile von ihr integrieren sie, indem die<br />
Menschen sie nutzen, privat oder im Rahmen gesell schaft licher Institu tionen,<br />
Unternehmen, Organisa tionen . Dadurch ent stehen mediatisierte Formen des<br />
Zusammen lebens, der Arbeit und der sozialen Beziehungen, es ändern sich<br />
Arbeits- und Alltags bedin gungen und auch, wie wir unsere Autonomie sichern,<br />
unsere Identität konstituieren, uns ver gemein schaften und ver gesell schaften .<br />
Einen Mediatisierungs prozess konnte man folg lich schon immer und im Hinblick<br />
auf ganz unter schied liche Medien beobachten . Dieser also histori sche Mediatisierungs<br />
prozess hat mit dem Computer, der Vernet zung und der Digitalisie rung<br />
gleichwohl eine neue Stufe und Geschwindig keit er reicht .<br />
Immerhin haben wir inzwischen viele Anfangs schwierig keiten mit den digitalen<br />
Medien über wunden . Sie und die darüber an gebotenen medialen Dienste<br />
gehören zu unserem Alltag . Sogar Computerspiele werden nicht mehr nur als<br />
Teufels zeug behandelt, sondern von ihren Potenzialen her gesehen – als Lernwerkzeuge<br />
und Ausdrucks formen, als Kommunikations mittel und Praktiken, die<br />
Sinn konstituieren, als Unterhaltungs spaß und als Raum für individuelle oder<br />
kollektive Entwick lung, für neue Geschäfts modelle und als Probelernwerkstatt .<br />
Auch medien vermittelte Beziehungen werden nicht mehr als etwas Minderwertiges<br />
gesehen, was nur die Loser brauchen und haben, vielmehr nutzen wir<br />
alle alle Medien, die uns zur Ver fügung stehen, je nach Lage der Dinge, für<br />
alles mögliche, insbesondere eben auch, um Beziehungen zu gestalten und zu<br />
managen . Dementsprechend werden wir in Zukunft von immer mehr elektronischen<br />
Geräten umgeben sein, mit denen oder über die wir „kommunizieren“<br />
werden . Manche davon werden ein Teil von uns werden, wie es das persönliche<br />
Handy jetzt schon ist, in andere wie das Internet oder in Computerspiele<br />
projizieren wir uns hinein und ver legen einen Teil unseres Alltags dorthin . Das<br />
post humane Zeitalter hat längst begonnen, in dem Mensch und Natur technisch<br />
ver mittelt sind . Dass die Hirnfor scher bei der Gelegen heit neue Gehirnströme<br />
ent decken und fest stellen, dass sich Aktivitäten in den Gehirnen ver lagern, ist,<br />
am Rande ver merkt, an gesichts der neuartigen Aktivitäten und Kommunikations<br />
formen nicht erstaun lich . Ver wunder lich ist allen falls, dass das einseitig als<br />
Grund für Besorgnis an gesehen wird: Vermut lich haben sich mit der Einfüh rung<br />
der Schulpf licht und dem Lesen lernen auch die Gehirnströme ganzer Generationen<br />
ver ändert . Wir wissen das heute zu schätzen .<br />
Die digitalen Medien induzieren also – insofern sie von den Menschen in<br />
ihrem kommunikativen Handeln genutzt werden – einen grundlegenden Wandel .<br />
Damit sind sie ein Potenzial für Neues, für mehr Gerechtig keit und Wohlstand,<br />
für mehr Wissen und Zufrieden heit . Sie sind aber auch ein Potenzial für eine<br />
un gerechtere Gesell schaft, für mehr Zwang und Ungleich heit, Verdum mung und<br />
Ausbeu tung, für Hass und Geiz, für eine Ver nich tung der Umwelt und eine<br />
Ausgren zung anderer . Wie immer ist nicht die Technik ent scheidend, sondern<br />
was man daraus macht . Hier kommen der Staat, die Wirtschaft und die Zivilgesell<br />
schaft ins Spiel, denn in Bezug auf durch diese vor gegebene Bedin gungen<br />
handeln wir . Die Wirtschaft treibt die Entwick lung voran . Unter ihrer Anlei tung<br />
und vor dem Hintergrund ihres Profitinteresses ent stehen neue Techniken, neue<br />
Vernet zungen und neue Dienst leis tungen . Sie sorgt mit Werbung und Expertisen<br />
auch dafür, dass die Kunden ihre Angebote nachfragen . Der Staat hat bekanntlich<br />
– Finanzkrise hin oder her, die ihm auf Jahre, wenn nicht auf Jahrzehnte die<br />
Ver fügung über Geld ent zogen hat – zunehmend an Bedeu tung ver loren . Er soll<br />
sich um alles kümmern, was nicht zu Geld zu machen ist, aber dafür keine<br />
Ressourcen in Anspruch nehmen . So hantiert er ein geklemmt zwischen wachsen<br />
den Erwar tungen und einer wachsenden Unfähig keit, lang fristig aus gerich-<br />
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