Textbuch zur Auslandsakademie Afrique en ... - Cusanuswerk
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Der zukünftige Gatte ist typischerweise ein<br />
<strong>en</strong>tfernter Verwandter oder ein Bekannter<br />
des Vaters – oft auch doppelt bis drei mal<br />
so alt wie das Mädch<strong>en</strong> selbst – und zahlt<br />
ein<strong>en</strong> „Brautpreis“. Aufgrund des bezahlt<strong>en</strong><br />
Preises wird das Mädch<strong>en</strong> als Eig<strong>en</strong>tum<br />
ihres Ehemannes betrachtet. Stirbt ein verheirateter<br />
Mann, so kann die Witwe das<br />
Erbe gar nicht antret<strong>en</strong>, da sie selbst als Teil<br />
seines Nachlasses betrachtet wird und in<br />
der Regel g<strong>en</strong>ötigt wird, ihr<strong>en</strong> Schwager zu<br />
heirat<strong>en</strong>. Eine Verweigerung ist kaum möglich,<br />
da sie sonst d<strong>en</strong> Brautpreis in voller<br />
Höhe <strong>zur</strong>ückzahl<strong>en</strong> und das Anwes<strong>en</strong> der<br />
Familie verlass<strong>en</strong> müsste obwohl sie besitzlos<br />
ist. In d<strong>en</strong> nördlich<strong>en</strong> Provinz<strong>en</strong> gibt es<br />
Berichte, wonach einige Lamibe (traditionelle<br />
Herrscher) ihr<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> und Konkubin<strong>en</strong><br />
sogar das Verlass<strong>en</strong> des Hauses untersag<strong>en</strong>.<br />
Das Gewohnheitsrecht einiger ethnisch<strong>en</strong><br />
Grupp<strong>en</strong> erlaubt d<strong>en</strong> Männern nicht<br />
nur die uneingeschränkte Verfügung über<br />
d<strong>en</strong> Famili<strong>en</strong>besitz, sondern auch die Scheidung<br />
vor einem traditionell<strong>en</strong> Gericht, das<br />
weder nach überprüfbar<strong>en</strong> Rechtfertigung<strong>en</strong><br />
fragt noch Unterhaltszahlung<strong>en</strong> verhängt.<br />
Selbst im Falle einer Scheidung vor<br />
Zivilgericht bestimmt allein der Wunsch des<br />
Mannes über das Sorgerecht für die<br />
gemeinsam<strong>en</strong> Kinder über sechs Jahr<strong>en</strong>.<br />
Außerdem kann ein Mann nur dann weg<strong>en</strong><br />
Ehebruch verklagt werd<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n der sexuelle<br />
Akt nachweislich im Famili<strong>en</strong>heim stattgefund<strong>en</strong><br />
hat, wohingeg<strong>en</strong> der Ort der ehelich<strong>en</strong><br />
Untreue und die Beweislast bei Ehe-<br />
bruch der Frau unerheblich sind. Insgesamt<br />
ist der Mangel an einer einheitlich<strong>en</strong> national<strong>en</strong><br />
Rechtgebung für d<strong>en</strong> Famili<strong>en</strong>bereich<br />
die Wurzel der Missstände, die Frau<strong>en</strong><br />
schutzlos d<strong>en</strong> männlich ori<strong>en</strong>tiert<strong>en</strong> Tradition<strong>en</strong><br />
ausliefern.<br />
Gesundheit<br />
So ist häusliche Gewalt ein weit verbreitetes<br />
Phänom<strong>en</strong>, nicht nur in Kamerun. Und<br />
nicht zuletzt weil die gelt<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Gesetze keine<br />
effektiv<strong>en</strong> Straf<strong>en</strong> für prügelnde Ehemänner<br />
vorseh<strong>en</strong>. Es gibt keine geschlechterspezifische<br />
Gesetze geg<strong>en</strong> Körperverletzung<br />
und tätliche Übergriffe obwohl<br />
Frau<strong>en</strong> überwieg<strong>en</strong>d die Opfer häuslicher<br />
Gewalt sind. Misshandlung des Ehegatt<strong>en</strong><br />
wird rechtlich geseh<strong>en</strong> nicht als Scheidungsgrund<br />
akzeptiert. In Fäll<strong>en</strong> von sexueller<br />
Gewalt außerhalb der Ehe ist es üblich, dass<br />
die Familie des Opfers oder die Dorfgemeinschaft<br />
außerrechtliche Maßnahm<strong>en</strong><br />
<strong>zur</strong> Bestrafung des Täters anw<strong>en</strong>det in<br />
Form von Eig<strong>en</strong>tumszerstörung oder einer<br />
Tracht Prügel.<br />
Ein weiteres ernsthaftes Problem ist die<br />
weibliche G<strong>en</strong>italverstümmelung, die zwar<br />
nicht weit verbreitet ist, aber dafür im<br />
äußerst<strong>en</strong> Nord<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> südwestlich<strong>en</strong> und<br />
nordöstlich<strong>en</strong> Provinz<strong>en</strong> des Landes immer<br />
noch auf traditionelle Weise praktiziert<br />
wird. Es umfasst die radikalste Form der<br />
Verstümmelung – Infibulation – und wird<br />
üblicherweise an vorpubertier<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Mädch<strong>en</strong><br />
ohne Betäubung vorg<strong>en</strong>omm<strong>en</strong>. Ihre<br />
Umzug zum Weltfrau<strong>en</strong>tag<br />
am 8. März<br />
2004<br />
FOTO Stefan Rostock<br />
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