Textbuch zur Auslandsakademie Afrique en ... - Cusanuswerk
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der Leb<strong>en</strong>sbedingung<strong>en</strong> blieb<strong>en</strong> bis heute<br />
aus. Fast alle afrikanisch<strong>en</strong> Staat<strong>en</strong> leid<strong>en</strong><br />
unter massiv<strong>en</strong> wirtschaftlich<strong>en</strong> und sozial<strong>en</strong><br />
Problem<strong>en</strong>. Die Gründe dafür sind vielfältig.<br />
Als ein Grund wurde im Rahm<strong>en</strong> der<br />
Modernisierungstheorie immer wieder die<br />
Tradition g<strong>en</strong>annt. Die Entwicklungsländer<br />
sind deshalb unter<strong>en</strong>twickelt, weil sie sich<br />
nicht aus d<strong>en</strong> „Fesseln der Tradition“<br />
befrei<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>, so lautet die modernisierungstheoretische<br />
Kernaussage (Nuscheler<br />
2004, S. 208). Ob Tradition<strong>en</strong> tatsächlich<br />
als Erklärungsgrund für die ausbleib<strong>en</strong>de<br />
Entwicklung herangezog<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>,<br />
damit möchte sich dieser Beitrag kritisch<br />
auseinandersetz<strong>en</strong>.<br />
Die Modernisierungstheorie, die ihr<strong>en</strong><br />
Ursprung in d<strong>en</strong> 50er Jahr<strong>en</strong> des letzt<strong>en</strong><br />
Jahrhunderts hatte, sieht die Ursache für<br />
Unter<strong>en</strong>twicklung in der fehl<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Modernisierung<br />
der Entwicklungsländer. Eine<br />
gesellschaftliche Modernisierung wird als<br />
Voraussetzung für jegliche wirtschaftliche<br />
Entwicklung geseh<strong>en</strong>. Unter Modernisierung<br />
wird dabei der Prozess der Transformation<br />
von traditional<strong>en</strong> gesellschaftlich<strong>en</strong><br />
Institution<strong>en</strong> zu d<strong>en</strong>j<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> einer modern<strong>en</strong><br />
Gesellschaft verstand<strong>en</strong>, wie sie in d<strong>en</strong><br />
westlich <strong>en</strong>twickelt<strong>en</strong> Ländern zu find<strong>en</strong><br />
sind. Ausgeh<strong>en</strong>d von einer Analyse der<br />
westlich<strong>en</strong> Industrieländer zeig<strong>en</strong> Modernisierungstheoretiker<br />
die Strukturmerkmale<br />
einer modern<strong>en</strong> Gesellschaft auf und weis<strong>en</strong><br />
auf die Rückständigkeit der Entwicklungsländer<br />
in Bezug auf diese Merkmale<br />
hin. Dahinter steckt die Annahme, es gäbe<br />
eine lineare Entwicklungslinie von der traditional<strong>en</strong><br />
Gesellschaft hin <strong>zur</strong> modern<strong>en</strong>.<br />
Entwicklungsländer befind<strong>en</strong> sich demnach<br />
auf demselb<strong>en</strong> Entwicklungspfad wie die<br />
Industriestaat<strong>en</strong>, sie sind eb<strong>en</strong> einfach noch<br />
nicht soweit fortgeschritt<strong>en</strong> (Hein 1998, S.<br />
214). So zeigt, wie Karl Marx in der Einleitung<br />
zum „Kapital“ schreibt „das industriell<br />
<strong>en</strong>twickeltere Land…dem minder <strong>en</strong>twickelt<strong>en</strong><br />
nur das Bild der eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Zukunft“ (zit.<br />
in Hein 1998, S. 198). Währ<strong>en</strong>d Marx vor<br />
allem an Produktionstechnik<strong>en</strong> d<strong>en</strong>kt, weist<br />
Max Weber („Die protestantische Ethik und<br />
der Geist des Kapitalismus“) auf die Rolle<br />
der Kultur hin. Eine <strong>en</strong>tscheid<strong>en</strong>de Bedeutung<br />
für die Entwicklung Europas, dem<br />
„okzid<strong>en</strong>tal<strong>en</strong> Rationalisierungsprozess“<br />
kommt aus seiner Sicht d<strong>en</strong> Wert<strong>en</strong> und<br />
Verhalt<strong>en</strong>smodell<strong>en</strong> der Gesellschaft zu (zit.<br />
in Braun & Rösler 1992, S. 252).<br />
Dabei war es sicher nicht Webers Anlieg<strong>en</strong>,<br />
die Unter<strong>en</strong>twicklung in d<strong>en</strong> Entwicklungsländern,<br />
die sich zu seiner Zeit größ-<br />
t<strong>en</strong>teils noch in kolonialer Abhängigkeit<br />
befand<strong>en</strong>, zu erklär<strong>en</strong>. Vielmehr wollte er<br />
die Bedeutung der Kultur für die Entwicklung<br />
der europäisch<strong>en</strong> Länder aufzeig<strong>en</strong>.<br />
Erst als die nach der Unabhängigkeit der<br />
afrikanisch<strong>en</strong> Länder erwartete wirtschaftliche<br />
Entwicklung ausblieb und die vorhand<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
theoretisch<strong>en</strong> Konzepte dafür nur<br />
un<strong>zur</strong>eich<strong>en</strong>de Erklärung<strong>en</strong> liefern konnt<strong>en</strong>,<br />
griff man Weber wieder auf und<br />
begann zu diskutier<strong>en</strong>, ob es die traditionale<br />
Kultur sei, die ein<strong>en</strong> rasch<strong>en</strong> Entwicklungsprozess<br />
behindere. Modernisierungstheoretiker<br />
war<strong>en</strong> von der <strong>en</strong>twicklungshemm<strong>en</strong>de<br />
Wirkung der Tradition<br />
überzeugt und folglich galt<strong>en</strong> kulturell<br />
geprägte Werte, Verhalt<strong>en</strong>weis<strong>en</strong>, Arbeitsform<strong>en</strong><br />
und Technik<strong>en</strong> als Bremssteine<br />
einer nachhol<strong>en</strong>d<strong>en</strong> ökonomisch<strong>en</strong> Entwicklung<br />
(Braun & Rösler 1992, S. 252f).<br />
In diesem Sinne mag auch die in viel<strong>en</strong><br />
Ethni<strong>en</strong> Afrikas verbreitete „target economy“<br />
(Bliss 2001, S. 78) als <strong>en</strong>twicklungshemm<strong>en</strong>d<br />
gelt<strong>en</strong>. Darunter versteht man, dass<br />
Arbeit einzig und allein der Bedürfnisbefriedigung<br />
di<strong>en</strong>t. Man arbeitet, um sich und<br />
seine Familie zu ernähr<strong>en</strong> und sich<br />
bestimmte Luxusgüter leist<strong>en</strong> zu könn<strong>en</strong>.<br />
Das schließt nicht aus, ein Minimum an Bargeld<br />
zu erwirtschaft<strong>en</strong>, was aber zweckgebund<strong>en</strong>,<br />
wie z.B. für d<strong>en</strong> Schulbesuch der<br />
Kinder, eingesetzt wird. Arbeit an sich<br />
erfährt jedoch keine Wertschätzung und<br />
das Maß der Arbeit ist dem<strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong>d<br />
dosiert und zielori<strong>en</strong>tiert. Der „target worker“<br />
arbeitet nicht, um Geld für zukünftige<br />
Investition<strong>en</strong> <strong>zur</strong> Seite zu leg<strong>en</strong> oder zu spar<strong>en</strong>.<br />
Wer das d<strong>en</strong>noch tut, muss sogar mit<br />
Sanktion<strong>en</strong> rechn<strong>en</strong>. Das kann sogar so<br />
weit geh<strong>en</strong>, dass alles, was nach Meinung<br />
der Mehrheit der Gesellschaft das übliche<br />
Maß des Erwerbs überschreitet, zerstört<br />
wird. W<strong>en</strong>n man bed<strong>en</strong>kt, dass Investition<strong>en</strong><br />
als Grundstein einer wirtschaftlich<strong>en</strong><br />
Entwicklung gelt<strong>en</strong>, mag auf diese Weise<br />
Entwicklung bewusst verhindert werd<strong>en</strong>.<br />
Bliss (2001, S. 78) weist allerdings daraufhin,<br />
dass ein solches Verhalt<strong>en</strong> in manch<strong>en</strong><br />
Situation<strong>en</strong> sehr wohl angepasst sein kann,<br />
z.B. w<strong>en</strong>n auf diese Weise die Übernutzung<br />
von Ressourc<strong>en</strong> verhindert wird. Er kritisiert,<br />
dass die Modernisierungstheorie Kultur<br />
pauschal als <strong>en</strong>twicklungshemm<strong>en</strong>d<br />
betrachtet, ohne diese jedoch g<strong>en</strong>auer zu<br />
analysier<strong>en</strong> und ohne zu beschreib<strong>en</strong>, wie<br />
und wodurch kulturelle Faktor<strong>en</strong> Entwicklung<br />
hemm<strong>en</strong>.<br />
Dass traditionale Kultur nicht nur Entwicklungsbarriere<br />
sondern im Geg<strong>en</strong>teil<br />
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