Textbuch zur Auslandsakademie Afrique en ... - Cusanuswerk
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Ngnetchopa, Jean Baptiste:<br />
Banknote, 1977,<br />
Holz, 118 x 55 x 6 cm,<br />
aus: Neue Kunst aus<br />
Afrika, hrsg. vom Haus<br />
der Kultur<strong>en</strong> der Welt,<br />
Ausstellungskatalog,<br />
Berlin 1996, S.155<br />
138<br />
Unabhängigkeit das Thema und der<br />
Wunsch, das Land möge aus seinem sozioökonomisch<strong>en</strong><br />
Stillstand herausfind<strong>en</strong>. Seit<br />
der Unabhängigkeit schreib<strong>en</strong> auch immer<br />
mehr Frau<strong>en</strong>, von d<strong>en</strong><strong>en</strong> vor allem Calixthe<br />
Beyala international bekannt ist. 5 Die Figur<br />
der Calixthe Beyala wird sehr kontrovers<br />
diskutiert, sie ist eine der erfolgreichst<strong>en</strong><br />
frankophon<strong>en</strong> Schriftstellerinn<strong>en</strong> afrikanischer<br />
Herkunft, publiziert sehr viel und hat<br />
auch schon zahlreiche Preise gewonn<strong>en</strong>.<br />
Besonders von männlich<strong>en</strong> afrikanisch<strong>en</strong><br />
Kritikern werd<strong>en</strong> ihr Plagiat, Pornographie,<br />
Männerhass und Entfremdung von ihr<strong>en</strong><br />
afrikanisch<strong>en</strong> Wurzeln vorgeworf<strong>en</strong>. In ihre<br />
leb<strong>en</strong>dig<strong>en</strong>, in lockerem Schreibstil verfasste<br />
Romane, die voller Detailbeschreibung<strong>en</strong><br />
und ironischer Anmerkung<strong>en</strong> sind, bringt<br />
Beyala viele Tabuthem<strong>en</strong> ein: Bezüglich<br />
Afrika beschreibt sie die tägliche Gewalt<br />
der Männer geg<strong>en</strong>über Frau<strong>en</strong>, die Ausbeutung<br />
von Frau<strong>en</strong> und Kindern mittels Prostitution,<br />
Frau<strong>en</strong>beschneidung und die<br />
soziale Verpflichtung Kinder <strong>zur</strong> Welt zu<br />
bring<strong>en</strong>. Sie hinterfragt die Mutterschaft,<br />
das Verhältnis ihrer weiblich<strong>en</strong> Protagonist<strong>en</strong><br />
zu der<strong>en</strong> Eltern, als auch d<strong>en</strong> Wert, der<br />
traditionell der Familie zugemess<strong>en</strong> wird.<br />
Sexuelle Erfüllung und Wünsche schildert<br />
sie aus weiblicher Sicht und legt Wert auf<br />
eine interkulturelle Gemeinschaft der Frau<strong>en</strong>.<br />
Einige ihrer Bücher spiel<strong>en</strong> im Pariser<br />
Einwandererviertel Belleville oder beschreib<strong>en</strong><br />
die Migration von Afrika nach Europa,<br />
ander<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> ihr<strong>en</strong> Schauplatz in Afrika.<br />
Immer jedoch ist das Leid<strong>en</strong> der Frau<strong>en</strong><br />
und ihre Emanzipation in einer patriarchalisch<strong>en</strong><br />
Gesellschaft ein wichtiges Thema. 6<br />
Beyala, die mit 17 Jahr<strong>en</strong> nach Frankreich<br />
auswanderte, ist eine provokative<br />
Schriftstellerin, die weiß, was der Leserschaft<br />
gefällt. Hier ein Ausschnitt aus „Les<br />
honneurs perdus“ (deutsch: J<strong>en</strong>seits von<br />
Duala), wofür sie 1997 d<strong>en</strong> Preis der Acadé-<br />
mie Française bekam: „Um es gleich vorweg<br />
zu nehm<strong>en</strong>: Ja, ich heiße Saida Bénérafa.<br />
Bis ich vierzig und etwas darüber war, hatte<br />
ich New-Bell, Duala Nr. 5 nie verlass<strong>en</strong>. Ich<br />
war noch nicht das fünfzigjährige, jungfräuliche<br />
alte Mädch<strong>en</strong>, das in Belleville für<br />
öff<strong>en</strong>tliche Aufregung sorgte – obwohl ich<br />
sogar schon bei meiner Geburt das Tagesgespräch<br />
des Buschtelefons war. […] Plötzlich<br />
stieg von einer Veranda mitt<strong>en</strong> in New-<br />
Bell ein Schrei auf, durchdring<strong>en</strong>d wie ein<br />
berst<strong>en</strong>des Herz: «Allah! Ich habe ein<strong>en</strong><br />
Sohn! Allmächtiger Gott, ich habe ein<strong>en</strong><br />
Sohn!» Es war mein Papa, über dess<strong>en</strong><br />
soziales Anseh<strong>en</strong> ich von meiner Mama nie<br />
etwas erfahr<strong>en</strong> sollte. […] Papa war ein weißer<br />
Kuskusser-Muslim (für uns ist alles weiß,<br />
was wir nicht für echt schwarz halt<strong>en</strong>) und<br />
von Beruf Facharbeiter für Sägemehlsackschlepp<strong>en</strong><br />
in der staatlich<strong>en</strong> Holzverarbeitungsfabrik<br />
Kameruns. […] Ich war noch<br />
nicht gebor<strong>en</strong>. Mein Kopf war irg<strong>en</strong>dwo<br />
zwisch<strong>en</strong> dem mütterlich<strong>en</strong> Uterus und der<br />
Vagina steck<strong>en</strong>geblieb<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n die Geburt<br />
ist ein schlimmer Mom<strong>en</strong>t, d<strong>en</strong> es zu übersteh<strong>en</strong><br />
gilt. […] [die Hebamme] beugte sich<br />
<strong>en</strong>tschloss<strong>en</strong> vor und klatschte auf Mamas<br />
Sch<strong>en</strong>kel: «Press<strong>en</strong>!» Auf der Veranda<br />
schrie Papa ungerührt weiter: «Ich habe<br />
ein<strong>en</strong> Sohn! Allah hat Jerusalem ein<strong>en</strong><br />
Sohn gesch<strong>en</strong>kt!»<br />
[…] Sämtliche Bewohner New-Bells erhob<strong>en</strong><br />
sich wie ein Mann und begab<strong>en</strong> sich in<br />
afrikanischer Ordnung – die Männer vorn,<br />
die Frau<strong>en</strong> hint<strong>en</strong> – zu Papas Lehmhaus.<br />
[…] Papa wurde mit Glückwünsch<strong>en</strong> überschüttet:<br />
«Bravo, gut gemacht, Bruder!»<br />
Man packte sich geg<strong>en</strong>seitig an d<strong>en</strong> Schultern,<br />
ob hochgewachs<strong>en</strong> oder klein. «Bravo,<br />
gut gemacht, Bruder». Zwisch<strong>en</strong>durch hörte<br />
man Schreie, dann die Stimme der voluminös<strong>en</strong><br />
Hebamme: «Press<strong>en</strong>! Press<strong>en</strong>! Du<br />
sollst press<strong>en</strong>, hast du gehört?», währ<strong>en</strong>d<br />
drauß<strong>en</strong> Papa zwisch<strong>en</strong> dem Press<strong>en</strong>-du-