Textbuch zur Auslandsakademie Afrique en ... - Cusanuswerk
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Frankreich vier Jahrzehnte lang in ihrem<br />
jeweilig<strong>en</strong> Landesteil verfolgt<strong>en</strong>, begründete<br />
die soziale Auseinander-Entwicklung der<br />
beid<strong>en</strong> Volksgrupp<strong>en</strong>, die Kamerun noch<br />
heute prägt, und trug dazu bei, dass das<br />
Französische heutzutage alle Leb<strong>en</strong>sbereiche<br />
dominiert. Großbritanni<strong>en</strong> und Frankreich<br />
legt<strong>en</strong> ihrer Herrschaft über Kamerun<br />
grundleg<strong>en</strong>d verschied<strong>en</strong>e Konzepte<br />
zugrunde: Währ<strong>en</strong>d die Franzos<strong>en</strong> von<br />
Anfang an die lokal<strong>en</strong> Struktur<strong>en</strong> durch<br />
eine z<strong>en</strong>tralistische Verwaltung nach französischem<br />
Muster zu ersetz<strong>en</strong> versucht<strong>en</strong>,<br />
stützt<strong>en</strong> sich die Brit<strong>en</strong> auf bereits existier<strong>en</strong>de<br />
lokale Autorität<strong>en</strong> und übt<strong>en</strong> ihre<br />
Herrschaft eher indirekt aus. Damit ging<br />
jeweils ein bestimmter sprachpolitischer<br />
Ansatz einher. Währ<strong>en</strong>d die einheimisch<strong>en</strong><br />
Sprach<strong>en</strong> unter <strong>en</strong>glischer Verwaltung weiterhin<br />
in viel<strong>en</strong> Bereich<strong>en</strong> b<strong>en</strong>utzt wurd<strong>en</strong>,<br />
wurd<strong>en</strong> sie im französisch<strong>en</strong> Teil unterdrückt<br />
und rigoros durch das Französische<br />
ersetzt, das so in seinem Landesteil <strong>zur</strong><br />
dominant<strong>en</strong> Sprache wurde und größere<br />
Bedeutung erlangte als die <strong>en</strong>glische Sprache<br />
im britisch<strong>en</strong> Teil Kameruns. Diese<br />
unterschiedliche Behandlung des Kolonialgebiets<br />
ist allerdings nicht so sehr als<br />
Geg<strong>en</strong>satz von britischem Liberalismus und<br />
französischer Unterdrückung zu interpretier<strong>en</strong>;<br />
hinter der britisch<strong>en</strong> Politik stand vielmehr<br />
ein Laissez-faire-D<strong>en</strong>k<strong>en</strong>, das hauptsächlich<br />
von Pragmatismus und nicht<br />
zuletzt Desinteresse an der Entwicklung<br />
Kameruns bestimmt war. Frankreich hingeg<strong>en</strong><br />
verfolgte das Ziel der Assimilation der<br />
kamerunisch<strong>en</strong> Bevölkerung, der auf lange<br />
Sicht auch die Möglichkeit der Integration<br />
in die französische Gesellschaft gegeb<strong>en</strong><br />
werd<strong>en</strong> sollte. Das wirkte sich nicht zuletzt<br />
auf das Schulsystem aus, das sich in beid<strong>en</strong><br />
Gebiet<strong>en</strong> <strong>en</strong>twickelte, d<strong>en</strong>n währ<strong>en</strong>d die<br />
französisch<strong>en</strong> Schul<strong>en</strong> Wert auf eine gute<br />
Ausbildung (u.a. in der französisch<strong>en</strong> Sprache)<br />
legt<strong>en</strong>, blieb das Schulwes<strong>en</strong> im britisch<strong>en</strong><br />
Teil auf einem niedrig<strong>en</strong> Niveau, so<br />
dass dort 1957 – also kurz vor der Wiedervereinigung<br />
– 80 – 90 % der Bevölkerung<br />
Analphabet<strong>en</strong> war<strong>en</strong>. Zudem <strong>en</strong>tsprach das<br />
Englisch, das überwieg<strong>en</strong>d gesproch<strong>en</strong> wurde,<br />
nicht dem Standard<strong>en</strong>glisch<strong>en</strong>, sondern<br />
war eher eine Pidginvariante, wofür neb<strong>en</strong><br />
dem mangelhaft<strong>en</strong> Schulsystem auch die<br />
Isolation von ander<strong>en</strong> <strong>en</strong>glischsprachig<strong>en</strong><br />
Ländern verantwortlich zu mach<strong>en</strong> ist sowie<br />
die Tatsache, dass Pidgin<strong>en</strong>glisch schon vor<br />
1919 in Kamerun verw<strong>en</strong>det wurde und erst<br />
durch das Standard<strong>en</strong>glische hätte ersetzt<br />
werd<strong>en</strong> müss<strong>en</strong>.<br />
Erneuerte Einheit<br />
Bei der Wiedervereinigung 1961 stand<strong>en</strong><br />
sich daher zwei Bevölkerungsgrupp<strong>en</strong><br />
geg<strong>en</strong>über, die sich eb<strong>en</strong> nicht nur darin<br />
unterschied<strong>en</strong>, dass die ein<strong>en</strong> Englisch und<br />
die ander<strong>en</strong> Französisch sprach<strong>en</strong>; viel gravier<strong>en</strong>der<br />
war<strong>en</strong> die damit verknüpft<strong>en</strong><br />
sozial<strong>en</strong> und kulturell<strong>en</strong> Unterschiede, die<br />
sich auf das Verhältnis zueinander auswirkt<strong>en</strong>.<br />
Der anglophone West<strong>en</strong>, der ohnehin<br />
dem französischsprachig<strong>en</strong> Rest des Landes<br />
zahl<strong>en</strong>mäßig unterleg<strong>en</strong> war, fühlte sich im<br />
Laufe des Einigungsprozesses mehrfach<br />
durch d<strong>en</strong> Ost<strong>en</strong> dominiert und gedemütigt;<br />
die Wiedervereinigung wurde von viel<strong>en</strong><br />
als Annexion erlebt, die mit einem vollständig<strong>en</strong><br />
Verlust der politisch<strong>en</strong> Macht einherging:<br />
West-Kamerun wurde zu einer von<br />
sechs Provinz<strong>en</strong> im Rahm<strong>en</strong> der föderal<strong>en</strong><br />
Struktur des Landes, die es anglophon<strong>en</strong><br />
Politikern schwer machte, Schlüsselposition<strong>en</strong><br />
in der Politik einzunehm<strong>en</strong>. Auch wirtschaftlich<br />
war der landwirtschaftlich<br />
geprägte West<strong>en</strong> abhängig vom Ost<strong>en</strong>,<br />
wobei die Ungleichheit durch d<strong>en</strong> politisch<strong>en</strong><br />
und wirtschaftlich<strong>en</strong> Abzug der Brit<strong>en</strong><br />
noch verschärft wurde. Dem Anlieg<strong>en</strong><br />
der anglophon<strong>en</strong> Bevölkerung <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong>d,<br />
unter dies<strong>en</strong> Umständ<strong>en</strong> w<strong>en</strong>igst<strong>en</strong>s<br />
ihre kulturelle Autonomie zu erhalt<strong>en</strong>, wurde<br />
in der Verfassung der gleichberechtigte<br />
Status beider Sprach<strong>en</strong> verankert und ab<br />
1963 eine Politik der Bilingualität verfolgt.<br />
Wie zu erwart<strong>en</strong>, <strong>en</strong>gagiert<strong>en</strong> sich v.a.<br />
anglophone Politiker wie Bernard Fonlon<br />
für d<strong>en</strong> Bilingualismus mit dem Ziel, die<br />
Zweisprachigkeit nicht nur auf sprachlicher,<br />
Gestaltete zweisprachige<br />
Verkehrsschilder<br />
bei Buea<br />
FOTO Stefan Rostock<br />
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