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Textbuch zur Auslandsakademie Afrique en ... - Cusanuswerk

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Diskussion: währ<strong>en</strong>d einige eine monokausale<br />

Erklärung find<strong>en</strong>, wie z.B. die Zusage,<br />

dass die Koloni<strong>en</strong> sich selbst finanzier<strong>en</strong><br />

würd<strong>en</strong> 16 , führ<strong>en</strong> andere d<strong>en</strong> Umschwung<br />

auf das Zusamm<strong>en</strong>spiel mehrerer Faktor<strong>en</strong><br />

<strong>zur</strong>ück 17 : die gerade erwähnte Finanzierungszusage<br />

sowie die mittlerweile positive<br />

Einstellung der deutsch<strong>en</strong> Bevölkerung; die<br />

relative Stabilität der europäisch<strong>en</strong> Beziehung<strong>en</strong><br />

aufgrund Bismarcks Vertragsnetz<br />

oder eine antibritische Motivation werd<strong>en</strong><br />

auch angeführt: ein<strong>en</strong> Keil in die deutsch<strong>en</strong>glisch<strong>en</strong><br />

Beziehung<strong>en</strong> zu treib<strong>en</strong> im Hinblick<br />

auf d<strong>en</strong> zukünftig<strong>en</strong> Kaiser und jetzig<strong>en</strong><br />

Kronprinz<strong>en</strong> Friedrich Wilhelm 18 , der<br />

mit einer Engländerin verheiratet und zum<br />

Missfall<strong>en</strong> Bismarcks allgemein probritisch<br />

war.<br />

Auch die Motivation afrikanischer Stammeshäuptlinge,<br />

„Schutzverträge“ zu unterzeichn<strong>en</strong>,<br />

wird von d<strong>en</strong> Historikern unterschiedlich<br />

erklärt: speziell in Bezug auf<br />

Kamerun wird vertret<strong>en</strong>, dass die Häuptlinge<br />

sich vor „britischer Bedrohung“ schütz<strong>en</strong><br />

wollt<strong>en</strong> – ein <strong>en</strong>glischer Gesandter vor Ort<br />

hatte ihn<strong>en</strong> im Falle einer Vertragsunterzeichnung<br />

mit d<strong>en</strong> Deutsch<strong>en</strong> das Abbr<strong>en</strong>n<strong>en</strong><br />

ihrer Dörfer und ihre Entmachtung<br />

angedroht. 19 Andere verweis<strong>en</strong> auf ein<strong>en</strong><br />

Bericht Nachtigals an Bismarck 20 , der<br />

besagt, dass die Häuptlinge ausdrücklich<br />

eine „annection“ und nicht „protection“<br />

fordert<strong>en</strong> 21 , da sie sich nur von ersterer<br />

Schul<strong>en</strong> und andere soziale Einrichtung<strong>en</strong><br />

bzw. europäische Verwaltung versprach<strong>en</strong>.<br />

22 Wieder andere führ<strong>en</strong> Annexionsaufforderung<strong>en</strong><br />

an europäische Mächte auf<br />

innere Unruh<strong>en</strong> und Spannung<strong>en</strong> <strong>zur</strong>ück.<br />

Diese soll<strong>en</strong> dazu geführt hab<strong>en</strong>, dass die<br />

Stammeshäuptlinge sich nicht mehr <strong>zur</strong><br />

Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung<br />

in der Lage sah<strong>en</strong> und die „Schutzverträge“<br />

dann unter der Bedingung unterzeichnet<strong>en</strong>,<br />

dass die europäisch<strong>en</strong> Mächte die traditionell<strong>en</strong><br />

Machtstruktur<strong>en</strong> anzuerk<strong>en</strong>n<strong>en</strong><br />

und zu schütz<strong>en</strong> gewillt war<strong>en</strong>. 23 Die geg<strong>en</strong>sätzliche<br />

Ansicht wird eb<strong>en</strong>falls vertret<strong>en</strong>,<br />

der zufolge die Erklärung der afrikanisch<strong>en</strong><br />

Machthaber, des Regier<strong>en</strong>s zeitweilig unfähig<br />

zu sein, ein bloßer, von d<strong>en</strong> Kaufleut<strong>en</strong><br />

suggerierter Topos ist. 24<br />

Die drei Jahrzehnte Kolonialherrschaft<br />

Im erst<strong>en</strong> Jahrzehnt blieb die Kolonialherrschaft<br />

im wes<strong>en</strong>tlich<strong>en</strong> auf das Küst<strong>en</strong>gebiet<br />

beschränkt. 25 Mit militärischer Gewalt wurde<br />

nach und nach das Zwisch<strong>en</strong>handelsmonopol<br />

der Duala gebroch<strong>en</strong>. Unter Gouverneur<br />

v. Puttkamer begann 1895 die systema-<br />

tische Ausdehnung der deutsch<strong>en</strong> Herrschaft<br />

in das Landesinnere. 26 Die „Befriedung“<br />

erfolgte in militärisch<strong>en</strong> Auseinandersetzung<strong>en</strong><br />

mit afrikanisch<strong>en</strong> Volksstämm<strong>en</strong>:<br />

„Les revoltes dans l’<strong>Afrique</strong> allemande<br />

ont été incessantes. Les annales du Cameroun<br />

de 1891 à 1903 sont tachés d’un sang<br />

inutilem<strong>en</strong>t versé… il est impossible de dire<br />

que nulle part, la domination allemande ait<br />

été bi<strong>en</strong> accueillie. 27 Nach d<strong>en</strong> direkt<strong>en</strong><br />

Kampfhandlung<strong>en</strong> kam es immer wieder zu<br />

Unruh<strong>en</strong> und Widerstandsbewegung<strong>en</strong>.<br />

Insgesamt war<strong>en</strong> die drei Jahrzehnte der<br />

Kolonialisierung geprägt durch die fortwähr<strong>en</strong>de<br />

innere Eroberung und „Befriedung“.<br />

28<br />

Das Vorgeh<strong>en</strong> mancher Kolonialoffiziere<br />

hierbei ging weit über das <strong>zur</strong> Erschließung<br />

militärisch Notw<strong>en</strong>dige hinaus – unter<br />

anderem wurde Anordnung gegeb<strong>en</strong>, Leich<strong>en</strong>teile<br />

abzutr<strong>en</strong>n<strong>en</strong>, um die Gefall<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

der Geg<strong>en</strong>seite zähl<strong>en</strong> zu könn<strong>en</strong>. 29<br />

Obwohl dieses barbarische Verhalt<strong>en</strong> in<br />

deutsch<strong>en</strong> Zeitung<strong>en</strong> und dem Reichstag<br />

angeprangert wurde, unternahm die Kolonialregierung<br />

nur w<strong>en</strong>ig um geg<strong>en</strong> die<br />

„nam<strong>en</strong>tlich in Kamerun immer wieder vorkomm<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

Ausschreitung<strong>en</strong>“ von Schutztrupp<strong>en</strong>angehörig<strong>en</strong><br />

und Kolonialbeamt<strong>en</strong><br />

vorzugeh<strong>en</strong>. 30<br />

Zu dies<strong>en</strong> Ausschreitung<strong>en</strong> gehört auch<br />

einer „der aufseh<strong>en</strong>erreg<strong>en</strong>dst<strong>en</strong> Skandale<br />

der deutsch<strong>en</strong> Kolonialgeschichte“ 31 [also<br />

nicht auf Kameruns Geschichte<br />

beschränkt]: die Kamerunregierung hatte<br />

1891 dem Dahomey-König Behanzin 370<br />

Sklav<strong>en</strong> 32 abgekauft, Männer zum Preis von<br />

je 320 Mark, Frau<strong>en</strong> zu 280 Mark. Einige<br />

dieser Person<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong> in die 1891 gegründete<br />

und für die Erschließung des Hinterlandes<br />

zuständige Polizeitruppe eingegliedert<br />

und bekam<strong>en</strong> für ihre Di<strong>en</strong>ste Kleidung<br />

und Ernährung, jedoch kein<strong>en</strong> Lohn<br />

– um die „Freikaufsumme“ abzugelt<strong>en</strong>. 33<br />

Dies und andere ungerechte Behandlung<br />

führte zu passivem Widerstand in der Truppe<br />

und einem Konflikt, der sein<strong>en</strong> Höhepunkt<br />

in der angeordnet<strong>en</strong> 34 Auspeitschung<br />

nackter Dahomey-Frau<strong>en</strong> vor versammelter<br />

Polizeitruppe fand. 35 Es kam<br />

zum Aufstand der Dahomeyleute. Eine<br />

Woche lang besetzt<strong>en</strong> die Aufständisch<strong>en</strong><br />

das Regierungsgebäude, ein Deutscher wurde<br />

erschoss<strong>en</strong>; dann wurde der Aufstand<br />

unter Einsatz eines Kanon<strong>en</strong>bootes niedergeschlag<strong>en</strong>.<br />

36<br />

Währ<strong>en</strong>d man in Kamerun auf d<strong>en</strong> Aufstand<br />

mit der Reorganisation der Kolonialtruppe<br />

reagierte [die Polizeitruppe (1891:<br />

57

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