Textbuch zur Auslandsakademie Afrique en ... - Cusanuswerk

nen und wird an verschiedensten Ritualen
sichtbar, die bis heute längst nicht alle
bekannt sind. Darüber hinaus wird das Wissen
um diese Phänomene, die aus der eigenen
Selbsterfahrung und der Auseinandersetzung
mit der Natur resultieren, streng
geheim gehalten.
Das Zusammenleben in der Dorfgemeinschaft
wird durch sogenannte Geheimgesellschaften
geregelt, die auch für die soziale
Gerechtigkeit verantwortlich sind. Durch
die Initiation wird ein junger Mensch in diesen
Kreis der Standesgemeinschaft aufgenommen.
Das Ereignis ist immer an
bestimmte Rituale gebunden, bei denen für
die Beteiligten eine strenge Schweigepflicht
herrscht. Uneingeweihte sind bei der Initiation
nicht zugelassen. Den neu Aufgenommenen
wird nun in einer Art traditionellen
Schule Wissen über das Leben und den Tod
vermittelt. Sie lernen auch, mit den Kräften
der Natur und mit den Ahnen in Verbindung
zu treten.
Die Ahnenverehrung spielt in Kamerun
eine große Rolle. Die Familie gilt als wichtigste
soziale Einheit. Darum steht der
Ahnenkult im Mittelpunkt der religiösen
Vorstellungen. Man glaubt, dass der Geist
und die Seele der Verstorbenen über den
Tod hinaus weiterleben und große Kraft
und Weißheit besitzen. Mit Hilfe von
Ahnenzeremonien soll das Gefühl verstärkt
werden, dass der Verstorbene mit und bei
seinen Nachkommen lebt. Die Ahnen gelten
als Vermittler zwischen den Lebenden
und den Gottheiten und werden durch
Opferrituale und Tänze um Schutz gebeten
und gnädig gestimmt. In regelmäßigen
Abständen wird beispielsweise bei den
Bergland-Kirdi ein großes Opferfest zu
Ehren der Verstorbenen abgehalten. Dieses
Fest nennt man Maray, das Fest des Stieres.
Dazu wird den Fulbe in der Ebene ein junger
Stier abgekauft, der dann innerhalb des
Gehöfts in einer mit Dachluke versehenen
Hütte groß gezogen wird. Sobald er gemästet
ist, wird die Lehmmauer der Hütte
durchbrochen, und das Tier wird zum
Opferplatz gebracht. Einige Tage lang feiert
die Familie dann ein Festmahl. Es lässt die
Verstorbenen weiterhin im Mittelpunkt der
Familie stehen. Begräbnisse sind in Afrika
häufig ein Anlass zur Freude, besonders
wenn der Verstorbene ein langes und erfülltes
Leben hatte. Die ganze Familie tanzt,
trinkt und isst, und das Fest kann mehrere
Wochen dauern.
Auch der Fetisch-Glaube ist anzutreffen.
Man versteht darunter den Glauben an
übernatürliche Eigenschaften bestimmter
auserwählter oder ungewöhnlicher Gegenstände
und deren Verehrung. Dabei werden
bestimmte, auch ganz alltägliche Gegenstände
von einem Féticheur oder Marabout
einer rituellen Handlung unterzogen. Die
so behandelten Objekte, wie Federbüschel
oder Tierpfoten, schützen vor bösen Kräften.
Dieser Fetisch, oder auch Gri-Gri
genannt, wird oft um den Hals getragen, in
die Kleidung eingenäht oder im Haus platziert.
Die Magier, auch Sorcier (Zauberer),
Guérisseur (Heiler) oder Witchdoctor
(Hexer) genannt, dienen als Mittler zwischen
Ahnen und Lebenden und überbringen
auch die Botschaften der Gottheiten
und Naturgeister. Weit über die Grenzen
seines Dorfes hinaus ist das Krabbenorakel
des Witchdoctors von Rhumsiki bekannt.
Er gehört zusammen mit dem Dorfältesten
zu den wichtigsten Persönlichkeiten im Ort.
Aus der gesamten Umgebung kommen die
Menschen zu ihm, um sich die Zukunft voraussagen
zu lassen. Er beginnt mit seinem
uralten überlieferten Ritual. Eine große
Kalebassenhälfte ist mit Sand gefüllt. Darin
steckt er kleine Holzstückchen und Tonscherben,
die jedes für sich eine Bedeutung
haben. Danach nimmt er die Krabbe aus
einem teilweise mit Wasser gefüllten Krug,
setzt sie in den Sand und deckt die Kalebassenhälfte
ab. Ein paar mal spuckt er auf die
Abdeckung und murmelt unverständliche
Sprüche vor sich hin. Nach ein paar Minuten
hebt er den Deckel wieder ab. Die Krabbe
hat die Holz- und Tonstückchen durcheinander
gebracht. Daraus deutet er nun
Antworten auf die gestellten Fragen.
Witchdoctor von
Rhumsiki
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