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Zwölf Jahre: Was hat sich ver-<br />

ändert? Was hat das Projekt<br />

dazu beigetragen?<br />

Seit der ersten Ausgabe hat sich einiges geändert. Das<br />

Internet hat massiv an Bedeutung gewonnen, Informationen<br />

lassen sich darüber deutlich schneller und<br />

einfacher beschaffen und verbreiten. Weiterhin haben<br />

wir uns entschieden, neben einer Onlineversion auch<br />

eine Print-Broschüre zu erstellen. Schließlich erreicht<br />

eine solche auch Ecken wie WG-Küchentische und<br />

-Klos, Projekträume und -häuser, linke Kneipen sowie<br />

die Schreibtische von Journalist_innen und Redaktionen.<br />

Gerade bei der Veröffentlichung von personenbezogenen<br />

Recherche-Ergebnissen müssen hohe<br />

Standards an die Korrektheit der Informationen und<br />

Einschätzungen angelegt werden. Ein kontinuierliches<br />

und redaktionell aufgearbeitetes Projekt wie die<br />

Fight Back kann für diese Standards auch jenseits von<br />

persönlichen Bekanntschaften und „Szenewissen“ als<br />

seriöse Quelle bürgen.<br />

Wir sehen die Aufgabe eines Projekt wie der Fight Back<br />

darin, den ersten Teil erfolgreicher antifaschistischer<br />

Arbeit zu machen, sowie die Hintergrundinformationen<br />

zugänglich zu machen, konkrete Ansätze für direkte<br />

Aktionen und schnelle Interventionen zu geben.<br />

Darüber hinaus fundiertes Hintergrundwissen für Öffentlichkeitsarbeit<br />

und Argumentationshilfen, z.B. für<br />

Kiezinitiativen, Nachbar_innen, Projekte etc. zu liefern.<br />

Jedoch ist uns wichtig zu betonen, dass das mühsame<br />

Beschaffen, Zusammentragen und Aufbereiten<br />

von Informationen nicht – wie es vielleicht bei einem<br />

solchen Projekt erscheinen mag – einzig das „Zauberwerk“<br />

von exklusiven Expert_innen ist, sondern sich<br />

aus eben jener Bewegung speist und von ihr getragen<br />

wird. Nicht nur direkt nach Veröffentlichung einer Ausgabe,<br />

sondern auch die Jahre danach, ebbt das Feedback,<br />

die Informationsergänzungen, die Berichte über<br />

die erfolgreiche Arbeit damit, nicht ab. Kontinuierlich<br />

erreichen uns Rückfragen, Korrekturen, Aktualisierungen,<br />

Flüche und Lob aus verschiedenen Teilen der<br />

Gesellschaft.<br />

Die Fight Back hat sich in den letzten 12 Jahren einen<br />

soliden Ruf erarbeitet. Sie ist mittlerweile ein alltägliches<br />

Instrument der praktischen und publizistischen<br />

Antifaarbeit, ein Nachschlagewerk für Zahlen, Fakten,<br />

Namen und Gesichter – egal ob es um Täteridentifizierung<br />

nach Neonazi-Angriffen ging, jemand plötzlich<br />

den „netten Verkäufer“ aus dem Laden um die Ecke<br />

als Kameradschaftsaktivisten erkannte oder damit es<br />

nicht den Falschen „erwischt“, wenn man z.B. das<br />

Gesicht, das einem in der Tram gegenüber sitzt, „eindeutig“<br />

als Neonazi erkennt. Nicht zuletzt mit Hilfe der<br />

Fight Back konnten fast alle Neonazis, die am 14. Mai<br />

2011 in Kreuzberg Linke angegriffen haben, identifiziert<br />

werden (siehe Seite 12). Es konnte mit der Fight Back<br />

aber auch eine Handreichung für diejenigen publiziert<br />

werden, die nicht direkt in dem Antifaalltag involviert<br />

sind. So ist es auch diesen möglich, Neonazis zu erkennen<br />

und zu identifizieren. Es kam immer wieder zur<br />

Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Neonazis im öffentlichen Raum, sei es<br />

durch direktes, spontanes Eingreifen gegen wiedererkannte Neonazis auf der Straße,<br />

durch Hausverbote in Räumen, die nicht hauptsächlich von Antifas frequentiert<br />

werden, oder ähnlichem. Die so entstandene Sensibilisierung geht mitunter über<br />

die Leser_innenschaft hinaus, schließlich wird über das Gelesene oder danach Erlebte<br />

auch am Küchentisch, in der Schule oder im Betrieb erzählt. Diese Verbreitung<br />

über den eigenen Tellerrand hinaus ist in unseren Augen genauso wichtig wie die<br />

Aufklärung und Hilfestellung für die „eigene“ Szene.<br />

Trotzdem müssen wir feststellen, dass es eine Diskrepanz gab und gibt zwischen<br />

der Fülle an veröffentlichten Rechercheergebnissen und der Quantität an Aktionen<br />

gegen Neonazis und deren Strukturen. Wir erhoffen uns für die Zukunft, dass es<br />

mehr unmittelbaren Druck auf die Neonazis geben wird. Sei es in Form von Outings<br />

(Kundgebungen, Plakate und Flugblätter in ihrem privaten und beruflichen Umfeld,<br />

von Suchmaschinen erfasste Informationen im Internet etc.) oder direkte Aktionen<br />

gegen sie und ihre Infrastruktur.<br />

Was bewegt antifaschistische Strukturen heute?<br />

Was sollte sie bewegen?<br />

Wer in den 2000er Jahren Antifa-Publikationen oder Punklieder aus den 1990ern las<br />

bzw. hörte, stolperte nicht selten über die verwendeten Plattitüden. Zu vereinfacht<br />

schien dem 2000er-Antifa die Rede von „Naziterror“, der „verschwiegen, verharmlost<br />

oder beklatscht“ wird und von einem Staat der nichts weiß oder mitmacht.<br />

Im November 2011 dann die „Entdeckung“ des NSU und die Erkenntnis: All das ist<br />

viel näher an der Realität, als wir bereit waren, den „90er-Analysen“ abzunehmen<br />

und ernstzunehmen. Wir wurden an unsere eigene Glaubwürdigkeit erinnert – und<br />

haben gleichzeitig verpasst, sie in adäquaten Reaktionen unter Beweis zu stellen.<br />

Nach wie vor sind Parolen wie „Nazis und Staat Hand in Hand“ zu einfach, aber es<br />

muss den Opfern von Rassismus mehr zugehört werden, wir müssen solidarisch<br />

sein, noch genauer hinsehen, rechte Bestrebungen und Akteure genauestens im<br />

Blick behalten und stärkeres Misstrauen staatlichen Strukturen und staatlichem<br />

Agieren gegenüber hegen – denn hier hat er nicht nur strukturell versagt, sondern<br />

ist Mittäter.<br />

Und es gab auch schon einige positive Beispiele: Tatsächliche Solidarität mit von<br />

Rassismus betroffenen, Unterstützung von Flüchtlingsprotesten, Schutz von Flüchtlingsheimen<br />

und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Rassismus, unabhängige<br />

Recherchen im NSU-Umfeld und zu staatlichem Fehlverhalten abseits offizieller<br />

Ermittlungen – all das sind antifaschistische Notwendigkeiten in diesen Jahren.<br />

Auch angesichts der seit ein paar Jahren zunehmenden gezielten Gewalt von Neonazis<br />

gegen linke Projekte muss in antifaschistischen Strukturen sowie in der gesamten<br />

linken Szene wieder vermehrt über organisierten – auch präventiven – Selbstschutz<br />

nachgedacht werden. Unter spezieller Berücksichtigung der Aktionsformen und<br />

Muster der Neonazis: Nächtliche Attacken auf Projekte und Wohnungen durch<br />

mehr oder minder die immer gleichen wenigen Neonazis, z.T. mit Unterstützung<br />

von Außerhalb, rund um für sie symbolträchtige Daten oder als Reaktionen auf<br />

antifaschistische Aktivitäten. Auch potentiell Betroffene, die nicht auf die staatlichen<br />

Repressionsorgane setzen wollen oder können, sollten sich bestimmte Möglichkeiten<br />

der Eigensicherung überlegen. Hierbei geht es zum Beispiel um kleine<br />

Investitionen (Brandmelder, Feuerlöscher und Schließ-Konzepte, Rollläden etc.) die<br />

wenig kosten, im Zweifel aber lebenswichtig sind. Es geht jedoch auch um solidarische,<br />

konkrete Hilfe wie kollektiv organisierter Schutz, praktische Solidarität nach<br />

Attacken (Geld, Arbeitskraft, Sachspenden). Und um präventive Aktivitäten gegen<br />

die bekannten Täter_innen aus der Neonaziszene, die ihren Handlungsspielraum<br />

effektiv einschränken. So etwas lässt sich nicht an „die Antifa“ delegieren, wie es<br />

bei der Recherche-Arbeit noch ein Stück weit gehen mag, die von der Sache her notgedrungen<br />

ein Stück weit Expert_innen-Arbeit ist. Schutz und Solidarität müssen<br />

kollektiv und langfristig vor, während und nach Angriffen organisiert werden, und<br />

das vor allem auch über die eigenen Stadtgrenzen hinaus.<br />

Von aktiven antifaschistischen Zusammenhängen verlangt diese Situation der gewandelten<br />

Aktionsformen und Strukturen der Neonazis, gemeinsam(!) strategische<br />

und taktische Überlegungen anzustellen. Gemeinsam – das heißt sich mit bereits

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