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vorhandenen Strukturen zu befassen und diese zu<br />

schützen. Dabei müssen die Chancen und Grenzen<br />

einer (auch spektrenübergreifenden) Bündnis- und<br />

Kampagnenpolitik genauso in die Abwägung einbezogen<br />

werden, wie die Möglichkeiten militanter Politik.<br />

Bei jedoch genau solchen Prozessen stehen wir uns hin<br />

und wieder selbst im Wege: Die aktuell teilweise zu beobachtende<br />

Zelebrierung eines verbalradikalen, mitunter<br />

sexistischen Militanz-Habitus auf der einen und<br />

die Fixierung auf die demokratische Zivilgesellschaft<br />

auf der anderen Seite, wirkt nicht wie eine strategisch<br />

motivierte Praxis radikaler Linker, sondern eher wie<br />

eine Geschmacksfrage oder eine „Frage der guten<br />

Erziehung“. Wir sollten langfristig überlegen, wie<br />

wir zum einen oberflächlichen Militanz-Lifestyle und<br />

‚blinden Aktionismus‘ durch strategisch durchdachte<br />

und zielgerichtete (militante) Aktionen und langfristig<br />

gedachtes Agieren ersetzen können. Zum anderen gilt<br />

es, diese mit Antifaschismus mit zivilgesellschaftlicher<br />

Ausrichtung besser in Einklang bringen können. Die<br />

Bandbreite unserer politischen Mittel geschickt zu<br />

choreografieren statt sich identitär abzugrenzen ist<br />

die Herausforderung!<br />

Der 1. Mai 2010 kann hier als gutes Beispiel gelten: Abgefangene<br />

Rechercheinfos konnten durch das etablierte,<br />

weil breite Bündnis „1. Mai Nazifrei“ weit verbreitet<br />

werden, sodass selbst Oma Erna wusste, wann und wo<br />

sich die Neonazis zur gemeinsam Anreise sammeln<br />

wollten. Die Verunsicherung, die bei den Neonazis<br />

ausgelöst wurde lag nicht nur daran, dass ihre „klandestinen“<br />

Sammelpunkte so den Weg in die Print- und<br />

Onlinemedien fanden, sondern dass kleinere Neonazi-<br />

Gruppen auf dem Weg dorthin von Antifaschist_innen<br />

abgefangen wurden. Vor Ort haben Blockaden von<br />

mehreren tausend Menschen, die ohne die Mobilisierungsfähigkeit<br />

des breiten Bündnis „1. Mai Nazifrei“<br />

nicht möglich gewesen wären, im Zusammenspiel mit<br />

„Konfliktherden“ im weiteren Umfeld des Aufmarsches<br />

eine unkontrollierbare und unüberschaubare Situation<br />

geschaffen und die Durchsetzung des Aufmarsches<br />

(politisch) unmöglich gemacht.<br />

Leider müssen wir im Rückblick auf die letzten Jahre<br />

feststellen, dass gerade die Antifa-Strukturen auf Kiez-<br />

und Bezirksebene in Berlin abgebaut haben – sowohl<br />

personell als auch strukturell.<br />

Das heißt zum Glück nicht, dass sich weniger Antifaschist_innen<br />

organisieren oder (Kiez-) Arbeit nicht<br />

mehr gemacht wird – erschwert diese aber und fordert<br />

mühsame Kampagnenpolitik. Diese kann jedoch eine<br />

kontinuierliche Kiezarbeit langfristig nicht ersetzen.<br />

Eine fehlende Weitergabe von Erfahrungen, Kontakten<br />

und Wissen an jüngere Genoss_innen sowie eine<br />

Überidentifikation mit der eigenen „Szene in der Szene“<br />

bzw. der eigenen Gruppe sind unserer Meinung nach<br />

hauptsächlich verantwortlich für die geringere Handlungsfähigkeit<br />

und die Auflösungserscheinungen der<br />

eigentlich so starken Kiez-Antifas in Berlin. Eine nicht<br />

zu unterschätzende Rolle spielt dabei auch, dass bestimmte<br />

Zusammenhänge/Umfelder und Gruppen<br />

immer wieder Gewalt gegen andere Linke ausüben.<br />

Dies verhindert konstruktive inhaltliche Auseinandersetzung<br />

und Lerneffekte. Langfristig gehen so wichtige<br />

Errungenschaften und Ressourcen verloren – inhaltlich, strukturell, räumlich und<br />

personell. Hier müssen wir gegensteuern: Grenzen aufzeigen und wieder gemeinsame<br />

Mindeststandards (nicht nur zur Ablehnung von Gewalt zwischen Linken!)<br />

entwickeln; die Gruppen durch die Integration neuer Leute personell unterstützen,<br />

die jüngere Generation besser integrieren und uns um eine Weitergabe des Wissens<br />

und der Erfahrungen kümmern. Am Wichtigsten erscheint es uns allerdings, die antifaschistischen<br />

Akteure wieder mehr zusammenzubringen und die unproduktiven,<br />

meist identitär motivierten Zerwürfnisse zu überwinden. Des weiteren ist es wichtig<br />

über den bereits erwähnten eigenen Tellerrand zu schauen und Projekte wie auch<br />

Gruppen und Einzelne inmitten der brandenburgischen Provinz nach ihren Bedürfnissen<br />

zu unterstützen, die tagtäglich mit Neonazi-Gewalt (direkt) konfrontiert sind.<br />

Eine Gefahr, die wir (für die Zukunft verstärkt) sehen ist der Umgang mit sozialen<br />

Netzwerken bzw. generell mit dem Internet und technischen Geräten. Immer<br />

mehr User_innen gehen leichtfertig mit ihren Daten um, benutzen reale Namen<br />

in Chats, Foren und Netzwerken und laden von sich Fotos z.B. bei Facebook hoch.<br />

Immer häufiger verzichten Linke auf Anonymisierungen im Netz, verschlüsseln ihre<br />

Rechner, Datenträger und Mails nicht und machen ihre eigenen Kontaktnetze (z.B.<br />

im Chat-Mitschnitt, unnötig umfangreiche Adress- und Telefonbücher etc.) und<br />

Bewegungs- und Interessenprofile (durch das Mitführen von Handys, unbedachtes<br />

surfen und „liken“ im Netz etc.) nachvollziehbar. Auch werden immer wieder Bilder<br />

von Aktionen (nicht unkenntlich gemacht) ins Netz gestellt. Auf der anderen Seite<br />

herrscht auch kein ausreichendes Bewusstsein darüber, wie man sich ausreichend<br />

(!) vor Kameras und z.B. neugierigen Neonazis bei Aktionen schützt (Kleidung ohne<br />

eindeutige Merkmale, verdeckte Gesichter etc).<br />

So unzählig die Beispiele sind, bei denen Leute aufgrund von unzureichendem<br />

Schutz im Netz und auf der Straße Schwierigkeiten mit Repression und Neonazis<br />

bekamen, so unbelehrbar unbedacht sind manche weiterhin in ihrem Handeln. Hier<br />

ist es auch Aufgabe erfahrenerer Antifaschist_innen, einen bewussteren Umgang<br />

mit Social Media, Handy und Home-Rechner weiter zu vermitteln.<br />

Es gilt…<br />

Misst man das Projekt Fight Back an seinem Anspruch als nützliches Werkzeug<br />

antifaschistischer Arbeit, so muss man ihm bis hier einen nicht geringen Erfolg zusprechen.<br />

Wie sein Effekt auf den Neonazismus in der Region und antifaschistische<br />

Antworten in Zukunft aussehen wird, liegt auch in den nächsten 12 Jahren an euch.<br />

Uns ist wichtig, dass die Recherche-Arbeit kein Selbstzweck oder Hobby ist, sondern<br />

ein notwendiger Baustein bei der Verfolgung eines klaren Ziels: Den größtmöglichen<br />

Druck auf die Neonaziszene und auf jeden einzelnen von ihnen auszuüben. Der<br />

Name dieses Projekts ist schon immer wörtlich gemeint.<br />

Für uns ist konsequenter Antifaschismus nicht mehr und nicht weniger als eine<br />

selbstverständliche Voraussetzung linker und linksradikaler Politik, unabhängig<br />

von der eigenen sonstigen politischen Schwerpunktsetzung. In solidarischer Weise.<br />

Und besonders in einer Situation, in der Neonazis – nicht nur in Berlin – wieder<br />

dazu übergehen, „verdeckt“ linke Strukturen und Einzelpersonen anzugreifen, ist<br />

es wichtig, wachsam zu sein, den Schutz vor Attacken auszubauen, sich zu solidarisieren,<br />

aber auch präventiv gegen Neonazis vorzugehen! Egal für wie realistisch<br />

ihr einen Angriff durch Neonazis in eurem Projekt haltet – baut euren Schutz aus!<br />

Oftmals ist es ja auch noch vorhanden, das Wissen und die baulichen Vorkehrungen<br />

aus der Zeit der Besetzungen und Räumungen.<br />

Aber nicht nur in unseren Projekten: Das Konzept der lokal verankerten, kontinuierlichen<br />

und konkreten antifaschistischen Arbeit ist unumgänglich. Nicht zuletzt hat<br />

der jahrelang „unentdeckte“ NSU bewiesen, wie wichtig das konjunkturunabhängige<br />

Hinsehen und Druck aufbauen ist. Haltet in eurer Gegend die Augen auf, meldet<br />

Beobachtungen weiter, organisiert euch auch lokal, fühlt euch verantwortlich für<br />

„eure Gegend“!<br />

„Es besteht kein Widerspruch zwischen Weltrevolution und<br />

‚Handarbeit‘ auf dem Dorf, zwischen konkreter Anti-Nazi-Arbeit<br />

und linksradikaler Politik – im Gegenteil!“

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