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6<br />

Die Situation in Berlin<br />

Generell ist festzustellen, dass die Berliner Neonazi-<br />

Szene in den letzten Jahren organisatorisch und personell<br />

auf konstant niedrigem Niveau geblieben ist. Die<br />

NPD ist trotz ihrer starken personellen Überschneidung<br />

mit der offen nationalsozialistischen Kameradschaftsszene<br />

weitgehend organisatorisch schwach<br />

aufgestellt. Die offen nationalsozialistische, militante<br />

Neonaziszene konnte sich nach den Verboten 2005<br />

nicht wirklich reorganisieren und fristet ein Dasein<br />

als verschworener Kreis von „Vollzeitaktivist_innen“.<br />

Strukturell ist ein Trend weg von festen Kameradschaften,<br />

hin zu berlinweiter, netzwerkartiger Organisation<br />

und zu wenig partizipativen, klandestin durchgeführten<br />

Aktionen zu beobachten. Trotzdem oder gerade<br />

deswegen bleibt sie durch ihren Aktionismus gefährlich.<br />

Auf der Internetseite des „NW-Berlin“ und der<br />

angegliederten „chronik-berlin“ veröffentlichten sie<br />

bis Ende 2012 in unregelmäßigen Abständen Listen<br />

mit Namen von politischen Gegner_innen oder linken<br />

Infoläden, Kneipen und Wohnkollektiven sowie Privatadressen.<br />

Nächtliche Sachbeschädigungen, Sprühereien<br />

und Brandanschläge, auch in linken Kiezen,<br />

waren die Folge – z.T. als koordinierte Aktionen zu<br />

symbolischen Daten.<br />

Neben einer Verkleinerung der Berliner Neonazi-Szene<br />

ist vor allem eine räumliche Verlagerung auszumachen.<br />

Während sich, nicht zuletzt wegen kontinuierlichem<br />

antifaschistischen Druck, aber auch einer Veränderung<br />

der Bevölkerungszusammensetzung, die rechten<br />

Strukturen und die Straßenpräsenz in Lichtenberg zurückgegangen<br />

ist – sieht man mal von der Lückstraße<br />

58 und einzelner WG's ab – scheint sich Schöneweide<br />

(und Johannnisthal) als Aktions- und Wohnschwerpunkt<br />

zu etablieren. In wenigen Jahren haben sich<br />

dort verstärkt neonazistische oder rechtsoffene Kneipen,<br />

Läden und WG's angesiedelt. Das benachbarte<br />

Süd-Neukölln stellt ebenso nach wie vor einen Aktionsschwerpunkt<br />

dar. Die Etablierung einer festen,<br />

lokal verankerten Szene ist jedoch nicht geglückt. In<br />

Reinickendorf konnte sich weitgehend unbeachtet<br />

ein kleiner aber reger NPD-Kreisverband festsetzen,<br />

kam jedoch im letzten halben Jahr durch antifaschistische<br />

Interventionen in Bedrängnis. Auch in anderen<br />

Stadtteilen scheiterten kurzlebige Versuche, sich zu<br />

etablieren (Buch, Wedding). In Pankow ist ein starker<br />

Rückgang der Organisierung und der Aktivitäten zu<br />

beobachten.<br />

Thematisch hat sich die „etablierte“ neonazistische<br />

Szene nicht verändert. Hauptschwerpunkte sind geschichtsrevisionistische<br />

Gedenkdaten wie der 13. Februar<br />

(Bombardierung von Dresden 1945), rassistische<br />

„Ausländer-Raus“-Kampagnen, sozialchauvinistische<br />

krisen-, sozial- und globalisierungspolitische Agitation<br />

und der Kampf gegen politische Gegener_innen<br />

(„Anti-Antifa“). Offen und versteckt nationalsozialistisches<br />

Auftreten wird – meist ungeschickt – versucht<br />

in ein strategisches Verhältnis zu bringen.<br />

Während im Bereich der Parteien und festen Organisationen<br />

die NPD schwächelt und keine ansprechende<br />

Kameradschaft in Berlin existiert, treten doch immer<br />

mehr kleine rechte Gruppierungen auf den Plan. Ob es „Pro Deutschland“, „Die<br />

Rechte“, „German Defence League“ oder die so genannten „Identitären“ sind. Sie<br />

alle sind strukturell schwach aufgestellt und relativ unbedeutend, versuchen sich<br />

allerdings zum Teil an „innovativen“ Konzepten. Die Gefährlichkeit dieser Strömungen<br />

besteht weniger in ihrer Anziehungskraft durch Charisma oder ansprechende<br />

Konzepte, als viel mehr darin, dass sie Ausdruck einer rassistischen, sozialchauvinistischen<br />

gesellschaftlichen Stimmung sind.<br />

Im Internet ist mittlerweile annähernd jede Gruppierung bzw. jedes Label mit eigenen<br />

Homepages, Blogs und Facebook-Seiten vertreten – nur die wenigsten werden<br />

jedoch regelmäßig aktualisiert und sind längere Zeit tatsächlich erreichbar.<br />

Laut der Anfang März 2013 veröffentlichten Zahlen der Opferberatungstelle „Reach<br />

Out“ gab es in den vorigen beiden Jahren erstmals mehr Opfer rechter Gewalt im<br />

West- als Ostteil der Stadt, in Süd-Neukölln gab es stadtweit die meisten Angriffe.<br />

Rassismus ist nach wie vor das hauptsächliche Tatmotiv.<br />

Und was geht in Brandenburg?<br />

Die Neonaziszene in Brandenburg orientiert sich stark an strukturellen Gegebenheiten,<br />

wie beispielsweise vorhandenen Partei- und Gruppenstrukturen, Rockermilieu<br />

oder Hooligangruppierungen. So ist die NPD in allen Himmelsrichtungen Brandenburgs<br />

aufgestellt, jedoch unterscheidet sich ihre Aktivitäten stark voneinander.<br />

Vor allem in Kreis Oderland und der Lausitz ist sie aktiv, hingegen in Potsdam<br />

kaum präsent. Ein zentrales, szeneübergreifendes Event ist der „Preußentag“, der<br />

sich jedes Jahr auf den 03. Oktober mit dem Motto „Preussen ist größer als Berlin-<br />

Brandenburg“ bezieht. Es ist Treffpunkt und Vernetzung für NPD-, DVU- und „Freie<br />

Kräfte“- Strukturen, das auf dem Grundstück von Klaus Mann in Finowfurt mit<br />

Neonazikonzerten stattfindet. Neben der NPD sind vor allem gebietsabhängige Kameradschaften<br />

bedeutend für die brandenburgische Neonaziszene. So gibt es in<br />

jedem Landkreis mindestens eine Kameradschaft oder kameradschaftsähnliche<br />

Zusammenhänge. Bundesweit prägten die Spreelichter aus Südbrandenburg eine<br />

neue Art der Demonstrationskultur, durch kurze Fackelmärsche, vollvermummt<br />

mitten in der Nacht. Dies fand auch in Brandenburg selber Nachahmer_innen, vor<br />

allem aus dem Spektrum der JN Potsdam und der JN Oranienburg.<br />

Die lokalen „Freien Kräfte“ und Kameradschafts-Mitglieder sind es, welche dann am<br />

Tag für die Bedrohung von Menschen sorgen. Die NPD versucht sich als die „Kümmerer“<br />

zu profilieren, während es Orte in Brandenburg gibt, die durch starke „Freie<br />

Kräfte“ als „national befreite Zonen“ beschrieben werden können. Einzelpersonen<br />

aus diesem Spektrum sorgen nicht nur für eine brandenburg- bzw. in Einzelfällen<br />

bundesweite Vernetzung, sondern auch für Kontakte zu den vielen unorganisierten<br />

Neonazis aus dem subkulturellen Milieu. Aus diesem können sie immer wieder neue<br />

Mitglieder rekrutieren und diese zu Gewalttaten an Schulen oder im Umfeld von<br />

Jugendfreizeiteinrichtungen anstacheln.<br />

Ende Januar 2013 gründete sich „Die Rechte“, welche sich derzeit aus NPD-Abweichler_innen<br />

und ehemaligen DVU-Mitglieder speist. Ob sie über die Lethargie der alten<br />

märkischen DVU hinaus aktiv sein wird, ist fraglich, doch für Konkurrenz bei Kommunalwahlen<br />

kann sie auf jeden Fall sorgen.

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