fightback05
fightback05
fightback05
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
56<br />
▸Abb.6 Stefan Liedtke ▸Abb.7 Steve Hennig ▸Abb.8 Gruppenfoto der „FN Berlin Mitte“ am 29.5.2010<br />
Aktionististische Eventorien-<br />
tierung und niedrigschwelliger<br />
Einstieg<br />
So verging im Jahr 2010 kaum eine Woche ohne neue<br />
„Aktionsberichte“ auf der Homepage der FNBM. Außerdem<br />
fand im Jahr 2010 kaum ein Neonaziaufmarsch<br />
in der Region statt, auf dem die sie nicht mit eigenen<br />
Fahnen und Transparenten zugegen waren. So warb<br />
Steve Hennig offensiv und zum Teil erfolgreich auf Sozialen<br />
Netzwerken wie Jappy und Facebook um jungen<br />
Nachwuchs aus dem gesamten Berliner Einzugsgebiet.<br />
Die Einstiegshürden waren dabei niedrig: Interessent_<br />
innen wurden schon nach kurzem Onlinekontakt zu<br />
einem persönlichen Treffen in die Szenekneipe „Zum<br />
Henker“ eingeladen oder via Jappy direkt zur Teilnahme<br />
an bevorstehenden Aktionen aufgefordert.<br />
Antifaschistische Intervention<br />
Als die Köpfe der Kameradschaft im Juli 2010 erstmals<br />
von Antifas geoutet wurden, stieg der Druck auf diese<br />
stetig. Dem ersten Outing folgen mehrere einzelne<br />
Outingaktionen durch Sticker und Flugblätter im jeweiligen<br />
Wohnumfeld der neonazistischen Aktiven.<br />
So plötzlich im antifaschistischen Schlaglicht zu<br />
stehen, kam für viele der „Kameraden“ offensichtlich<br />
überaschend, denn schon kurz nach Erscheinen<br />
erster identifizierender Publikationen schrumpfte die<br />
Kameradschaft etwa um ein Drittel ihres bisherigen<br />
Personenkreises. Ob Furcht vor staatlicher Repression,<br />
Ärger mit der Antifa oder beruflichen Konsequenzen,<br />
im Einzelnen lassen sich die Motive nur erahnen.<br />
Hennig und Isernhagen reagierten auf die lokalen<br />
Outings im Wohnumfeld mit unmittelbarer Verunsicherung.<br />
Und so ist für Hennig schon nach mehreren<br />
Pöbelleien und Sachbeschädigungen an seinem Autos<br />
das Maß voll: Er sucht sich innerhalb kürzester Zeit<br />
eine neue Wohnung am Stadtrand in Berlin-Lichterfelde.<br />
Mit dem Wegfall seiner bisherigen Wohnung,<br />
die der Kameradschaft stets als Anlaufpunkt gedient<br />
hatte, enden die Aktivitäten im Wedding abrupt. Auch<br />
bei Isernhagen folgten direkte Aktionen auf das Outing.<br />
So wurde sein Kreuzberger Wohnhaus mehrfach<br />
mit Steinen und Farbe attackiert. Nachdem er<br />
schließlich auch körperlich konfrontiert wurde, nahm<br />
Isernhagen nicht mehr an öffentlichen Aktivitäten der<br />
rechten Szene teil. Bei Schmidt hingegen nahmen die<br />
Dinge einen entgegengesetzten Verlauf. Angesichts<br />
ausbleibender Interventionen fühlte er sich durch die<br />
ihm durch das Outing zuteilwerdende Aufmerksamkeit<br />
eher geadelt.<br />
An den beschriebenen Fällen wird deutlich, dass Outings als Mittel antifaschistischer<br />
Intervention noch immer unverzichtbar sind. Einerseits können sie dazu<br />
dienen, potentielle Opfer rechter Gewalt zu schützen, indem rechten Akteuren die<br />
Anonymität genommen wird. Anderserseits wirken Outings auch als repressives<br />
Mittel, indem sie rechten Aktiven signalisieren, dass sie in den Fokus der Antifa<br />
geraten sind und gegebenenfalls mit weiteren Konsequenzen zu rechnen haben. Wie<br />
die zahlreichen „Aufhörer_innen“ bei den FNBM nach dem ersten Outing gezeigt<br />
haben, reicht dies oftmals aus, um Neonazis von weiterem öffentlichen Aktionismus<br />
abzuhalten. Darüber hinaus liefert das Beispiel der FNBM aber auch Zeugnis, dass<br />
antifaschistische Outings ihren repressiven Chrarakter verlieren und auf einzelne<br />
Geoutete eher bestätigend wirken können, wenn der Eindruck entsteht, dass sie<br />
keine weiteren Konsequenzen zu fürchten haben.<br />
Neben klassischen Outingaktionen und direkten Interventionen wurden aber auch<br />
zivilgesellschaftliche Hebel in Gang gesetzt. So nahmen Antifas nach „spektakulären“<br />
Aktionen der Kameradschaft, wie den Angriffsversuchen in Weißensee,<br />
Kontakt mit Pressevertreter_innen auf, außerdem wurden Demonstrationen und<br />
Kundgebungen organisiert, um gezielt Öffentlichkeit zu generieren. Während die<br />
Aktivitäten der Kameradschaft von staatlicher Seite über Monate nahezu unbeantwortet<br />
geblieben waren, wurden nun auch politische Entscheider_innen mit den<br />
Aktivitäten der Kameradschaft konfrontiert und die „FNBM“ beziehungsweise die<br />
wachsenden Gegenaktivitäten wurden zunehmend medial thematisiert.<br />
Und so verkündete die Kameradschaft im September 2010, als das Wort „Verbot“<br />
noch nicht einmal angeklungen war, ihre Auflösung. Vorangegangen war dem<br />
eine Hausdurchsuchung bei einem ihrer Mitglieder. Damit schien die hergestellte<br />
Öffentlichkeit und sicherlich auch die Angst vor weiteren direkten Aktionen der<br />
Antifa ihren Zweck erfüllt zu haben. Das ursprüngliche Vorhaben der Aktiven, eine<br />
neonazistische Kameradschaft mit Aktionsraum im Wedding zu etablieren, wurde<br />
damit aufgegeben. Während noch einmal etwa die Hälfte der Mitglieder in Folge der<br />
erklärten „Selbstauflösung“ ihren Aktionismus bis auf Weiteres einstellte, gaben u.a.<br />
Hennig, Schmidt, Liedtke und Gallien noch ein kurzes Gastspiel unter dem Kürzel<br />
„Nationalistische Befreiungsfront Berlin“ (NBFB). Mit dem Label NBFB ging noch<br />
einmal eine neue Internetseite von Hennig & Co. an den Start. Da etliche Beiträge<br />
von der Internetseite des „NW-Berlin“ übernommen wurden, deutete sich hier eine<br />
Annäherung der verbliebenen Aktiven an das Netzwerk an.<br />
In der Folge trat der Personenkreis um Christian Schmidt, Steve Hennig, Davin<br />
Gallien, Mike Gruber und Stefan Falk Liedtke nur noch virtuell unter dem Label<br />
NBFB in Erscheinung, bei Aktionen und Demonstrationsbesuchen ordneten sie sich<br />
bereits den Strukturen des „NW-Berlin“ unter.<br />
So am 23.01.2011, als Hennig, Gallien und weitere ehemalige Aktivisten der NBFB<br />
versuchten, mit etwa 25 Neonazis aus dem Spektrum des „NW-Berlin“ an einer<br />
Ökologie-Großdemonstration in Berlin-Mitte teilzunehmen. Als am 14.Mai 2011 144<br />
Neonazis in Berlin-Kreuzberg aufmarschierten, befand sich darunter auch die Gruppe<br />
um Schmidt, Hennig, Gallien, Liedtke und Gruber. Bereits bei der Ankunft<br />
der Neonazis kam es zu Übergriffen auf Migrant_innen im Bahnhof. Kurz darauf<br />
attackierte eine größere Gruppe der Neonazis unter den Augen der Polizei mehrere<br />
Gegendemonstrant_innen, die sich zu einer Sitzblockade zusammengefunden<br />
hatten. Die Gegendemonstrant_innen wurden durch Tritte und Schläge verletzt.<br />
Als Täter konnten u.a. David Gallien und Christian Schmidt ausgemacht wurden.<br />
Als Neonazis am 21.Januar 2012 wie im Vorjahr versuchten, an der alljährlichen Öko-<br />
Großdemonstration in Berlin teilzunehmen, werden sie von Demonstrant_innen<br />
hinausgedrängt und unter Polizeischutz genommen. Unter den Neonazis befanden<br />
sich auch Steve Hennig und Stefan Falk Liedtke. Weil Liedtke, während die<br />
Neonazis abzogen, einem Pressevertreter ins Gesicht geschlagen hatte, wurde er im<br />
September 2012 zu einer 6-monatigen Haftstrafe verurteilt.