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Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

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etwas von dieser Art im Verstand des Toren existieren muss. Im zweiten Schritt wird per<br />

reductio ad absurdum gezeigt, dass Gott folglich auch in Wirklichkeit existieren muss.<br />

Bromand und Kreis rekonstruieren den Beweis folgendermaßen 15 :<br />

Erster Beweisschritt:<br />

(1) Gott ist etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann.<br />

(2) Der Tor versteht „etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“.<br />

(3) Alles, was man versteht, ist im Verstand.<br />

(4) Also: Etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, ist im Verstand.<br />

Zweiter Beweisschritt:<br />

(5) Das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, ist nur im Verstand (Annahme für die<br />

reductio).<br />

(6) Wenn das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, nur im Verstand ist, dann kann<br />

man denken, dass es etwas gibt, das im Verstand und in Wirklichkeit ist, was größer ist.<br />

(7) Das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, ist etwas, über das Größeres gedacht<br />

Dritter Beweisschritt:<br />

werden kann (Widerspruch).<br />

(8) Es ist nicht der Fall, dass das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, nur im Ver-<br />

Schlussfolgerung:<br />

stand ist und nicht in Wirklichkeit.<br />

(9) Also: Etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, existiert in Wirklichkeit.<br />

In der ersten Prämisse wird der Gottesbegriff definiert. Anselm verwendet hier einen<br />

technischen Begriff. Lasse man ungeachtet, dass sich schon hier eine Schwierigkeit ergeben<br />

könnte, wenn man anzweifelt, dass dieser Begriff ohne Weiteres als identisch mit dem be-<br />

trachtet werden kann, was die christliche Religion Gott nennt, so bleibt nach Bromand und<br />

Kreis das Problem, dass Anselm zwischen „etwas (aliquid), über das hinaus nichts Größeres<br />

gedacht werden kann“, und „dasjenige (id), über das hinaus nichts Größeres gedacht werden<br />

kann“, unterscheidet. Auch Edgar Morscher fällt diese Unterscheidung auf. Er stellt jedoch<br />

fest, dass Anselm nicht willkürlich in der Ausdrucksform wechselt, sondern an den weniger<br />

relevanten Stellen auf aliquid zurückgreift, während er an den entscheidenden Beweisstellen<br />

id verwendet. 16 Während die erste Variante einen Begriff bezeichne, steht die zweite gewöhn-<br />

15 Vgl. Bromand / Kreis, Gottesbeweise (2011), S. 32.<br />

16 Vgl. Morscher, Was sind und was sollen die Gottesbeweise? In: Ricken (Hrsg.), Klassische Gottesbeweise<br />

(1991), S. 65.<br />

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