06.08.2013 Aufrufe

Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zukunft in die Vergangenheit umschlägt“ 199 . Doch mit dem angenommenen Bewusstsein des<br />

Menschen tritt bei Spaemann sogleich das Problem der Erinnerung auf, die irgendwann nicht<br />

mehr ist, wenn alle Menschen, die von der Tatsache wussten, nicht mehr sind. Man könnte<br />

annehmen, dass damit auch die Wahrheit der Tatsache verschwindet, doch dies könne der<br />

Mensch nicht denken, denn wenn etwas irgendwann einmal nicht mehr wahr sein wird, dann<br />

ist es auch in der gegenwärtigen Situation nicht wahr.<br />

Daraus folgt nach Spaemann, dass es ein Bewusstsein geben muss, in dem alle Wahrheiten<br />

auf ewig aufgehoben sind. Dieses nennt er Gott. Hier stellt sich sogleich die Frage, warum<br />

man für die Tatsachenwahrheiten ein ewiges Bewusstsein denken muss, indem sie<br />

aufgehoben sind, auch wenn sich kein Mensch mehr erinnern kann. Spaemanns Denkweise<br />

passt zu seinem Gesamtgottesbild, das sich als eher personal und greifbar darstellt. Ebenso ist<br />

auch seine Deutung eines Bewusstseins, in dem alles aufgehoben ist, eine greifbare<br />

Vorstellung, jedoch kommt sie einem menschlichen Bewusstsein sehr nahe. Auch<br />

Schönberger hält Spaemanns Schlussfolgerung für „am meisten diskussionswürdig[...]“ 200 und<br />

stellt sich ebenfalls die Frage, inwieweit es notwendig ist, für Wahrheit einen Ort denken zu<br />

müssen. Doch er hält es für richtig, die Seinsart der Wahrheit näher zu bestimmen und zu<br />

definieren, was genau denn Wahrheit besagt. Spaemanns Versuch, den ontologischen Status<br />

der Wahrheit zu bestimmen, hält er also durchaus für sinnvoll. Das göttliche Bewusstsein<br />

dürfe jedoch gerade keines sein, was der Zeit unterliegt. Insofern stelle sich die Frage,<br />

inwieweit dann die „Gegebenheitsweise für das endliche Bewusstsein seinerseits anwesend<br />

sein kann“ 201 . Genau hier liegt auch der Knackpunkt, anhand dessen meines Erachtens<br />

Zweifel aufkeimen, ob Spaemann seine eigene Anforderung, einen nietzsche-resistenten<br />

Gottesbeweis zu schaffen, erfüllt hat. Denn auch Spaemann setzt auf die Wahrheitsfähigkeit<br />

des Menschen, wenn er von der Grammatik ausgeht. Damit setzt er voraus, dass die vom<br />

Menschen geschaffene Grammatik und deren zeitliche Struktur wahre Tatsachen sind. Und<br />

genau an dieser Stelle wird der Beweis zirkulär, denn er setzt genau das voraus, was er<br />

eigentlich beweisen will: die Wahrheitsfähigkeit des Menschen und damit die Existenz<br />

Gottes. Stefan Groß argumentiert ähnlich, wenn auch er kritisiert, „daß [Spaemanns]<br />

Argument nur für diejenigen Sinn macht, die auch an Gott glauben“ 202 , und zudem die Frage<br />

stellt, ob nicht letztendlich der allwissende Gott bereits als Bewusstsein vorausgesetzt werde,<br />

199<br />

Schönberger, Gott denken, in: Spaemann, Der letzte Gottesbeweis (2007), S. 122.<br />

200<br />

ebd.<br />

201<br />

a.a.O., S. 124.<br />

202<br />

Groß, Buchbesprechung zu Robert Spaemanns „Der letzte Gottesbeweis“ (2007), in:<br />

http://www.tabvlarasa.de/29/Gross.php, 7.5.2012.<br />

51

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!