Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück
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gelangt er dann auch zu anderen Einschätzungen der ethischen Problemfelder als Spaemann.<br />
Außerdem hat er die bestehende rechtliche Regelung im Blick und ist der Auffassung, dass<br />
sich aus bestimmten getroffenen Entscheidungen andere Konsequenzen ergeben. So sei nach<br />
Zulassung der IVF die Akzeptanz der PID nur konsequent. Spaemann ist hier anderer<br />
Auffassung und plädiert stattdessen dafür, lieber auch die IVF wieder zu verbieten. Für<br />
Gerhardt hat auch das Forschungsinteresse einen hohen Stellenwert und so spricht er sich für<br />
Stammzellforschung aus. Da er die Schwangere als moralisch und juridisch höher stehend als<br />
den Embryo bewertet, muss die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch seiner<br />
Meinung nach eine individuelle Entscheidung der Mutter sein. Ein Verbot überschreite die<br />
Kompetenzen des Rechts. Die Kirche könne hier nur für ihre Gläubigen sprechen. Diese<br />
Haltung weist Spaemann klar zurück. Er geht davon aus, dass die Kirchen sehr wohl für alle<br />
Menschen sprechen dürften, wenn sie der Meinung seien, sich gegen ein Unrecht auflehnen<br />
zu müssen. In Bezug auf die Sterbehilfe äußert Gerhardt sich klar gegen aktive Sterbehilfe<br />
und gegen den assistierten Suizid. Er ist jedoch der Auffassung, dass es Situationen gebe, in<br />
denen dem Kranken nicht mehr geholfen werden könne. Dann solle es seiner Meinung nach<br />
unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein, Hilfe zu leisten. Die Stärkung der<br />
Hospizbewegung ist für ihn nur eine unter mehreren Möglichkeiten.<br />
Beide Philosophen argumentieren schlüssig und bleiben ihrer Linie auf der Basis ihrer<br />
Vorstellung von Gott und der Position des Menschen in der Welt im Wesentlichen treu.<br />
Spaemanns Ansicht, das menschliche Leben beginne mit der Zeugung, ist meiner Ansicht<br />
nach wesentlich überzeugender als Gerhardts Position vom Beginn des Lebens mit der<br />
Geburt. Da er sich jedoch für die Stammzellforschung sowie gegen ein Verbot der Abtreibung<br />
ausspricht, steht er unter Rechtfertigungsdruck. Möglicherweise ist seine Ansicht auf diese<br />
Weise zustande gekommen. Denn ganz bleibt er seiner Position nicht treu, wenn er<br />
Spätabtreibungen für skandalös hält und dem Fötus einen dem Menschen analogen Status<br />
zuweist, sobald er außerhalb des Mutterleibes überlebensfähig ist. Dies zeigt, dass für ihn der<br />
Lebensbeginn doch nicht so klar auf den Moment der Geburt festgelegt ist, wie es auf den<br />
ersten Blick scheint. Mit dieser Festlegung werden jedoch einige ethische Probleme gelöst.<br />
Wenn das Leben erst mit der Geburt beginnt, lässt sich die Forschung an Embryonen mühelos<br />
rechtfertigen ebenso wie die PID und eine Abtreibung. Das Selbstbestimmungsrecht der<br />
Eltern steht hier im Vordergrund und da es sich bei dem Ungeborenen nach Gerhardts<br />
Definition noch nicht um Leben handelt, ist eine Abtreibung oder die Feststellung der<br />
Gesundheit des Kindes mit der anschließenden Entscheidung darüber, ob man das Kind<br />
bekommt oder nicht, ethisch vertretbar. Teilt man diese Grundannahme nicht, dann<br />
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