Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück
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sei in diesen Fällen unabdingbar. Außerdem könne es hier nur um existenzielle Ausnahmen<br />
gehen.<br />
Selbstbestimmung<br />
Spaemann hält das Argument der Selbstbestimmung bezüglich des Todes für unehrlich und<br />
inkonsequent. Diejenigen, die von diesem Argument Gebrauch machten, beriefen sich, wenn<br />
es um die Tötung von Menschen gehe, gerade darauf, dass diese zur Selbstbestimmung nicht<br />
mehr fähig seien. In diesem Falle dürften dann andere urteilen, ob das Leben noch lebenswert<br />
sei oder nicht und über das Weiterleben entscheiden. Jedoch denke man nicht daran, jeden<br />
Todeswunsch zurechnungsfähiger Erwachsener zu erfüllen. Hier werde nach eigenen<br />
Rationalitätskriterien die Nachvollziehbarkeit des Wunsches beurteilt, wobei meist nur eine<br />
unheilbare Krankheit als nachvollziehbar betrachtet werde. Dies habe mit Selbstbestimmung<br />
nichts zu tun. 435 Wenn man von lebensunwertem Leben ausgehe, gebe es keinen Grund,<br />
Selbstmord abzulehnen und die Beihilfe dazu als ungerechtfertigt anzunehmen. Dies sei dann<br />
eine „unerträgliche Bevormundung“ 436 . Wenn es hingegen auf Rationalität des Todes-<br />
wunsches ankomme, dann könne auch ein Dritter über das Leben eines Menschen<br />
entscheiden, der zur Selbstbestimmung nicht mehr fähig sei. Damit sei der Übergang von der<br />
Tötung auf Verlangen zur Tötung ohne Verlangen gegeben. Den Begriff der<br />
Selbstbestimmung hält Spaemann in Bezug auf die von Schwäche und Hilfsbedürftigkeit<br />
geprägte Situation, in der sich die Menschen befänden, die ihren Tod wünschten, für<br />
„zynisch“ 437 . Gerhardt bedauert, dass Spaemann zum Thema Selbstbestimmung nur Zynismus<br />
einfalle. Selbstbestimmung schließe Fürsorge und Solidarität nicht aus, jedoch werde der<br />
Freiheit der Vorrang gegeben. 438 Die Selbstbestimmung sei an Freiheit, Selbstzweck der<br />
Person und Würde des Menschen gebunden. 439 In ethischen Fragen gehe es jedoch immer um<br />
selbstbestimmte Lebensführung und so seien auch die Fragen nach Leben und Tod von<br />
„exklusiver Bedeutung“ 440 . Gerhardt geht davon aus, dass das Leben in einem gewissen<br />
Rahmen verfügbar sei und der Mensch über sein Leben entscheiden könne.<br />
Da der Mensch ein soziales Wesen sei, ist nach Spaemann die Gemeinschaft für ihn von<br />
besonderer Bedeutung und Entscheidungen würden nicht nur mit Blick auf sich selbst<br />
435<br />
Vgl. Spaemann, Bemerkungen zur Euthanasiedebatte, in: Die Neue Ordnung 5/2004, S. 328.<br />
436<br />
ebd.<br />
437<br />
a.a.O., S. 329.<br />
438<br />
Gerhardt, Kontroverse über Sterbehilfe, in: ZfL 4/2005, S. 123.<br />
439<br />
Gerhardt, Selbstbestimmung in der Biopolitik, in: Vorgänge 3/2006, S. 41.<br />
440<br />
Gerhardt, Letzte Hilfe, in: Ders., Die angeborene Würde des Menschen (2004), S. 165.<br />
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