Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück
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Während Gerhardt davon ausgeht, dass Politik und Ethik nicht klar voneinander zu trennen<br />
sind, ist Robert Spaemann der Ansicht, Ethik „verfehl[e] [...] die sittliche Intuition, wenn sie<br />
sich, statt Technik und Politik Ziel und Grenzen zu setzen, als Variante von Technik oder<br />
Politik versteht“ 234 .<br />
Zwar zitiert Spaemann die alte Redensweise, das Moralische sei das, was sich von selbst<br />
versteht, dennoch gesteht er ein, dass in der heutigen Zeit die moralischen Selbstverständlich-<br />
keiten abnehmen. 235 Einerseits läge das an den veränderten Lebensverhältnissen und<br />
technischen Möglichkeiten, andererseits daran, dass die ethischen Grundüberzeugungen, die<br />
den traditionellen Standesregeln zugrunde liegen, die Selbstverständlichkeit ihrer Geltung<br />
eingebüßt haben. Die zentrale Frage, wie man leben solle, werde heute kaum noch gestellt.<br />
Vielmehr gehe es um die Herbeiführung von „Zustände[n] subjektiver Zufriedenheit“ 236 , die<br />
Spaemann aber nicht für ethisch hält, sondern für technische Fragen innerer Natur-<br />
beherrschung. Bei solch einer Ansicht falle der Umgang des Menschen mit sich selbst und mit<br />
anderen nicht mehr in den Bereich des Ethischen bzw. allenfalls insoweit, als dass anderen<br />
etwas zugemutet wird, dem sie nicht spontan zustimmen. Nach Spaemann wird das Ethische<br />
dann auf Fragen nach der Gerechtigkeit reduziert, wobei es nicht um den gerechten Menschen<br />
gehe, sondern darum, dass jedem das Seine zukommt. Spaemann beobachtet dies mit Sorge<br />
und spricht sich klar gegen eine derartige Vorstellung von Ethik aus. Auch hat er Bedenken<br />
gegen den Begriff der angewandten Ethik, die es seiner Meinung nach höchstens als bereichs-<br />
spezifische Ethik beispielsweise in der Medizin geben solle. 237 Ethische Diskussionen<br />
müssten sich in einem grenzenlos freien Raum bewegen, zu dem jeder zugelassen ist. Er<br />
würde sich niemandem anvertrauen, der sein Urteil lieber einer Ethikkommission überlässt,<br />
als selbst darüber nachzudenken, was zu tun sei. Ethiker sollten Grundfragen in einem offenen<br />
Diskurs erläutern, um Menschen in eigenen Entscheidungen Gründe zu liefern, an denen sie<br />
sich orientieren und sich darüber klar werden können, warum sie auf die eine oder andere<br />
Weise handeln. 238<br />
4.1.2 Freiheit und Würde des Menschen<br />
Robert Spaemann hält den Begriff der Menschenwürde für einen transzendentalen Begriff,<br />
der selbst nicht direkt ein Menschenrecht bezeichnet, sondern eine Begründung dafür gibt,<br />
234<br />
Spaemann, Grenzen (2001), S. 26.<br />
235<br />
Vgl. a.a.O., S. 32.<br />
236<br />
ebd.<br />
237<br />
Vgl. a.a.O., S. 35.<br />
238<br />
Vgl. a.a.O., S. 36.<br />
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