06.08.2013 Aufrufe

Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Spaemann im verzeihenden Gott annimmt, besteht für Gerhardt in der lebenslangen, das<br />

Dasein tragenden Verbindlichkeit des Glaubens. Gerhardt geht ebenso wie Spaemann davon<br />

aus, dass die Grunderfahrung des Religiösen niemals nur subjektiv sein kann, sondern ein<br />

objektives Moment notwendig ist. Er betont jedoch, dass die tragende Verbindung von Ich,<br />

Wir und Welt je nach Individuum und je nach Kultur verschieden aussehen kann. Die unter-<br />

schiedlichen Religionen deutet er als verschiedene Ausdrucksformen desselben religiösen<br />

Grundgefühls. Damit setzt er ein eindeutiges Zeichen für Toleranz.<br />

Es wird deutlich, dass Spaemann ganz das kirchlich vermittelte Gottesbild vertritt und eine<br />

klassische hierarchische Strukturierung vornimmt, wenn er Gott als Schöpfer und Gesetzgeber<br />

versteht und den Menschen als denjenigen, der Gottes Willen ausführen soll und der bei<br />

Verfehlungen auf Gottes Verzeihung angewiesen ist. Abgesehen von den Problemen, die viele<br />

Menschen mit dem Glauben an einen personalen Gott haben, ist es oftmals diese<br />

hierarchische Struktur, die viele Menschen abschreckt. Sie wollen sich nicht in untergebener<br />

Haltung unter einem übermächtigen Gott sehen, vor dem sie um Vergebung bitten müssen,<br />

sondern sie glauben an die eigene Vernunft und sehen sich nicht in Abhängigkeit eines<br />

solchen personalen Gottes.<br />

Indem Gerhardt genau dies aufgreift und dem Menschen eine wesentlich gewichtigere<br />

Position einräumt, geht er deutlich über Spaemann hinaus. Die Selbstbestimmung des<br />

Menschen hat bei ihm einen überaus großen Stellenwert, jedoch ohne dass Gott in den<br />

Hintergrund gedrängt wird. Vielmehr bleibt Gott, wenn er von Gerhardt als einheitsstiftendes<br />

Moment von Ich, Wir und Welt gedacht wird, ständig präsent. Durch diese Interpretation<br />

kann der Mensch aber seine Freiheit in der Welt nutzen, um selbstbestimmt zu handeln und<br />

Entscheidungen zu treffen, ohne Angst haben zu müssen, dem Willen Gottes nicht zu<br />

entsprechen. Auch die Nutzung neuer Technologien kann so gerechtfertigt werden, auch wenn<br />

diese in gewisser Hinsicht in das menschliche Leben eingreifen. Dass Gerhardt über<br />

Spaemann hinausgeht, zeigt sich auch an den Gottesbeweisen beider Philosophen deutlich.<br />

Während Spaemann seinen Beweis konstruiert, indem er vom menschlichen Bewusstsein<br />

wegführt und auf eine höhere Ebene verweist, die er als göttliches Bewusstsein bezeichnet, in<br />

dem alle Tatsachen aufgehoben sind, führt Gerhardt das Denken des Menschen stets mit. Er<br />

stellt den handelnden Menschen ins Zentrum und weicht Spaemanns hierarchische Gott-<br />

Mensch-Beziehung auf. Zwar steht der handelnde Mensch im Mittelpunkt, doch Gott bleibt<br />

der Grund der Einheit des Selbst mit dem Ganzen der Welt und ist damit die Grundlage für<br />

sinnvolles Handeln überhaupt. Insofern kann Gerhardts Gottesbeweis ebenso wie sein Denken<br />

108

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!