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Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

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allem vor dem Hintergrund, dass es nach dem Hirntod, den er mit dem Tod der Person<br />

gleichsetzt, möglich sei, den Organismus so lange wie nötig am Leben zu halten, um ihn als<br />

Ersatzteillager zu nutzen, hält er den Ruf nach menschenwürdigem Sterben für sehr<br />

dringlich. 415 Zu außerordentlichen lebenserhaltenden Maßnahmen zählt Spaemann auch die<br />

künstliche Ernährung beispielsweise von Komapatienten. Seiner Meinung nach habe diese<br />

Maßnahme sogar eine Gemeinsamkeit mit der aktiven Sterbehilfe, da in beiden Fällen „bis<br />

zum letzten Augenblick Regie [geführt]“ 416 werde. Solches Verhalten befindet er für<br />

menschenunwürdig, da der Mensch in beiden Fällen „nicht mehr wirklich Selbstzweck“ 417 sei.<br />

Dies ist für ihn ein ganz wichtiger Aspekt, denn er sieht das Leben als Geschenk und den Tod<br />

als Schicksal und beides müsse als das, was es ist, hingenommen werden. Eine Machbarkeit<br />

von Leben und Tod hält er für eine Grenzüberschreitung. Spaemann bedauert, dass bewusstes<br />

Abschiednehmen und Weggehen in unserer Gesellschaft kaum mehr vorkomme. Die medizi-<br />

nische Technik werde so lange eingesetzt, bis am Ende nur noch ein Verenden bleibe, das das<br />

bewusste Weggehen nicht mehr zulasse. 418 Das Unterlassen von medizinischen<br />

Behandlungen, wenn diese keine Aussicht auf Erfolg mehr versprechen, kann man nach<br />

Spaemann nicht mit aktiver Sterbehilfe gleichsetzen. Hier stimmt er mit der EKD überein. Es<br />

müsse mit dem normalen Menschenverstand überlegt werden, welche Therapiemöglichkeiten<br />

noch sinnvoll seien und welche das Leiden nur unnötig verlängerten. Diese Auswahl werde<br />

künftig immer häufiger getroffen werden müssen, da sich die medizinischen Heilmethoden<br />

immer aufwendiger würden. Auch die Verabreichung von starken Schmerzmitteln, die das<br />

Leben verkürzen können, sieht Spaemann ebenfalls in Übereinstimmung mit der EKD nicht<br />

als Tötung an. Er fügt hinzu, es gebe innerhalb der menschlichen Zivilisation immer eine<br />

„Zone des ärztlichen oder freundschaftlichen Ermessens [...], die nicht ans Licht gezerrt<br />

gehört“ 419 . Wichtig sei, dass daraus folgend kein Tabu in Frage gestellt werde, dessen<br />

Grundlage die Menschlichkeit unserer Kultur berühre. Die immer weiter perfektionierten<br />

Möglichkeiten der Lebensverlängerung sieht Gerhardt ebenfalls kritisch. So könne das Leben<br />

auch dann noch aufrechterhalten werden, wenn es „gar nicht mehr aus eigenem Anspruch<br />

gelebt werden“ 420 könne. Genau auf diesen Aspekt beziehe sich die Diskussion um Sterbe-<br />

hilfe.<br />

415 Vgl. Spaemann, Wir dürfen das Euthanasie-Tabu nicht aufgeben (1992), in: Ders., Grenzen (2001), S. 415.<br />

416 Spaemann, Bemerkungen zur Euthanasiedebatte, in: Die Neue Ordnung 5/2004, S. 326.<br />

417 Spaemann, Menschenwürde und menschliche Natur (2010), S. 6.<br />

418 Vgl. Spaemann, Sind alle Menschen Personen? (1991), in: Ders., Grenzen, S. 427f.<br />

419 Spaemann, Wir dürfen das Euthanasie-Tabu nicht aufgeben (1992), in: Ders., Grenzen (2001), S. 417.<br />

420 Gerhardt, Letzte Hilfe, in: Ders., Die angeborene Würde des Menschen (2004), S. 170.<br />

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