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Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

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getroffen. Die Basis jeder Gemeinschaft sei aber die Bejahung der Existenz eines jeden<br />

anderen und auch die Mitverantwortung für dessen Existenz. Auch das Sterben sei in „Rituale<br />

menschlicher Solidarität“ 441 eingebettet. Wer sich aus dieser Gemeinschaft entfernen wolle,<br />

müsse dies allein tun. Jegliche Hilfe, sei es von Angehörigen oder gar von Ärzten, bedeutet<br />

nach Spaemann, das Fundament der Solidarität zu zerstören. Er argumentiert, dass die meisten<br />

Menschen nicht aufgrund ihrer körperlichen Leiden sterben wollten, sondern weil sie sich<br />

einsam und verlassen fühlten. Gerade in labilen Situationen hält Spaemann es daher für fatal<br />

zu wissen, dass jemand insgeheim nur darauf warten könnte, dass man stirbt. Den assistierten<br />

Selbstmord hält er für die infamste und billigste Lösung, um der Solidarität mit Kranken und<br />

Schwachen zu entgehen. Dieser einfachste Weg werde jedoch mit Sicherheit gewählt, wenn<br />

nicht gesetzlich scharfe Grenzen gesetzt würden. Seiner Meinung nach ist die Hospiz-<br />

bewegung und nicht die Euthanasiebewegung die Antwort auf die heutigen<br />

Herausforderungen. Gerhardt stimmt zu, dass es bei der Hilfe für Alte und Kranke nicht<br />

zuerst um Sterbehilfe gehen dürfe. Doch er betrachtet die Hospizbewegung nur als „eine<br />

Möglichkeit unter vielen“ 442 . Zwar müsse in erster Linie Lebenshilfe gegeben werden und<br />

zwar hauptsächlich von Angehörigen, Freunden und Gleichaltrigen, jedoch dürfe man auch<br />

nicht die Augen davor verschließen, dass es schwere Leiden gibt. Diese ließen manchmal<br />

keinen Trost mehr zu und dann müsse der Mensch „die Freiheit haben, zu sagen, dass er<br />

sterben will“ 443 , denn wir müssten respektieren, wenn ein Mensch erkläre, wo für ihn die<br />

Grenzen des Zumutbaren lägen. Der dringliche Todeswunsch eines unheilbar Kranken werde<br />

sich auch durch Zuwendung nicht verflüchtigen und in solch einem Falle habe man diesen<br />

Wunsch zu akzeptieren. Die Argumente gegen den Suizid griffen dann nicht mehr und es<br />

gebe kein moralisches Argument, das diesen Wunsch disqualifiziere. 444 Die Akzeptanz einer<br />

solchen Sterbehilfe könne im Gegensatz zu Spaemanns Behauptung kaum alle alten<br />

Menschen unter Druck setzen, sich vorzeitig töten zu lassen. Gerhardt geht davon aus, dass<br />

drei Kriterien erfüllt sein müssen, damit es keine moralischen Gründe mehr gegen die<br />

Hilfeleistung geben könne: das Verlangen nach Hilfe müsse ernsthaft geäußert werden, es<br />

dürfe keine zumutbare Alternative offenstehen und eine anteilnehmende Person müsse diese<br />

beiden Aspekte nachvollziehen. In solch einem Fall gebe es keinen Grund, warum nicht ein<br />

Arzt diese Hilfe gewähren sollte. Die Urteilskraft zur Entscheidung habe jedoch nur ein Arzt<br />

und auch nur dieser dürfe zum Tode verhelfen, wenn Heilung ausgeschlossen und die o.g.<br />

441<br />

Spaemann, Bemerkungen zur Euthanasiedebatte, in: Die Neue Ordnung 5/2004, S. 329.<br />

442<br />

Gerhardt, Kontroverse über Sterbehilfe, in: ZfL 4/2005, S. 122.<br />

443<br />

a.a.O., S. 123.<br />

444<br />

Vgl. Gerhardt, Letzte Hilfe, in: Ders., Die angeborene Würde des Menschen (2004), S. 174f.<br />

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