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Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

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sei nicht erwiesen, vielmehr belegten ausländische Erfahrungen das Gegenteil. In Rumänien<br />

hingegen, wo die Abtreibung wieder gesetzeswidrig geworden sei, seien die exorbitanten<br />

Abtreibungsraten auch wieder zurückgegangen. Da sich die Zahl der Geburten innerhalb von<br />

anderthalb Jahren verdreifachte, geht er auch nicht von einem Rückzug in illegale<br />

Abtreibungen aus. Zudem gehe vom Gesetz eine „normbildende Kraft“ 359 aus, sodass die<br />

Fristenlösung unverantwortlich sei. Die gesundheitlichen Schäden der Frau, die zum<br />

Kurpfuscher geht, sind nach Spaemann nur dann ein Argument, wenn das Leben des Kindes<br />

kein Menschenleben wäre. Da dies aber der Fall sei, könne der Gesetzgeber nicht dafür<br />

sorgen, dessen „Vernichtung möglichst risikofrei zu machen“ 360 . Das Argument, die hohen<br />

Dunkelziffern ließen die Gesetze undurchführbar werden, weist Spaemann ebenfalls zurück.<br />

Man erkläre ja auch nicht Ladendiebstähle bis 100 Euro für straffrei, nur weil dort die<br />

Dunkelziffer sehr hoch liege. Es gehe hier um ein Grundprinzip der Rechtsordnung, das nicht<br />

zur Disposition des Gesetzgebers stehe. Hier schließt sich Gerhardt an, für den die aktuelle<br />

rechtliche Regelung der Rechtswidrigkeit der Abtreibung bei gleichzeitiger Straffreiheit eine<br />

Aushöhlung des Rechts sowie eine Doppelmoral bedeutet. 361 In Bezug auf die vermeintliche<br />

Diskriminierung weniger begüterter Frauen, ist Spaemann der Ansicht, dass hier<br />

stillschweigend davon ausgegangen werde, eine Abtreibung sei kein Verbrechen. Der reiche<br />

Verbrecher sei gegenüber dem armen immer privilegiert. 362 In Bezug auf das Schicksal der<br />

ungewollten Kinder lehre die Erfahrung, dass diese meist nach der Geburt „voll<br />

angenommen“ 363 würden. Er hält es für falsch, damit zu argumentieren, Menschen lieber erst<br />

gar nicht leben zu lassen, nur damit sie nicht belastet leben müssen. Das Argument der<br />

Beratung weist Spaemann zurück, indem er darauf hinweist, dass in England die Beratungen<br />

zu Pro-forma-Konsultationen verkommen seien. Zudem sei eine Beratung auch möglich,<br />

wenn es die Dreimonatsfrist nicht gebe.<br />

Das Leben in den Griff nehmen<br />

Robert Spaemann erkennt in der Diskussion um die Abtreibung den Trend unserer Zeit, „alles<br />

technisch in den Griff zu nehmen“ 364 , auch das Leben selbst. Dabei sieht er in den<br />

Ungeborenen diejenigen mit der schwächsten Lobby. Während bei Themen wie der<br />

künstlichen Lebensverlängerung oder der Sterbehilfe jeder selbst potentiell betroffen sein<br />

359<br />

Spaemann, Am Ende der Debatte um § 218 StGB (1974), in: Ders., Grenzen (2001), S. 356f.<br />

360<br />

a.a.O., S. 357.<br />

361<br />

Vgl. Gerhardt, Biopolitik, in: Ders., Die angeborene Würde des Menschen (2004), S. 39.<br />

362<br />

Vgl. Spaemann, Am Ende der Debatte um § 218 StGB (1974), in: Ders., Grenzen (2001), S. 358.<br />

363<br />

a.a.O., S. 359.<br />

364<br />

Spaemann, Verantwortung für die Ungeborenen (1988), in: Ders., Grenzen (2001), S. 370.<br />

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