Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück
Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück
Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
eschrieben wird. Das Denken des Menschen wird aber im Gegensatz zu Spaemanns Beweis<br />
stets mitgeführt und insofern geht Gerhardts Beweis über diesen hinaus.<br />
4. Sozialethische Konkretion bei Robert Spaemann und Volker<br />
Gerhardt am Beispiel aktueller ethischer Problemfelder<br />
4.1 Grundlegende Gedanken zur Ethik bei Robert Spaemann und Volker<br />
Gerhardt<br />
4.1.1 Was ist Ethik?<br />
Mit seinem 1999 erschienen Werk „Selbstbestimmung. Das Prinzip der Individualität“<br />
verfolgte Volker Gerhardt die Absicht, eine Grundlegung der Ethik in der Sprache zu<br />
verfassen, in der man sich auch allgemein über ethische Fragen verständigt. Sie soll den Weg<br />
zur Philosophie der Individualität dokumentieren, die er als Vorbereitung auf eine Philosophie<br />
der Politik sieht. 210 Spaemanns Ansicht, eine neue Ethik sei schon dadurch widerlegt, dass sie<br />
etwas Neues in Aussicht stelle, teilt Gerhardt nicht. Zwar sei dies richtig, wenn es um die<br />
elementaren Ziele des moralischen Handelns gehe, doch seien die Philosophen derzeit eher an<br />
den Begründungen der Tugenden interessiert und hier könne man auf Neues hoffen. 211 Für<br />
Gerhardt steht die Ethik unter der Prämisse des Lebens. Bereits in der Antike hätten alle<br />
ethischen Überlegungen im Dienste der Lebensführung gestanden und seien auf das<br />
ausgerichtet gewesen, was der Einzelne mit seinem Leben macht. Daher müsse die Ethik auf<br />
die Bedingungen des Lebens ausgerichtet sein. Er sieht eine „elementare Bindung an das<br />
Leben“ 212 . Die ethischen Fragen stelle sich der Mensch im Laufe seines Lebens von allein,<br />
wenn er über sein Handeln nachdenke. Gerhardts These ist, dass nur derjenige ein moralisches<br />
Problem sieht, wer sich die an ihn herangetragenen Probleme wirklich aneignet. Das ent-<br />
scheidende Moment, das die Ethik erschafft, liege „in der individuellen Selbstbezüglichkeit<br />
einer ernsthaft an sich selbst gestellten Frage“ 213 . Dabei stellt er aber auch klar, dass das<br />
Individuelle dem Allgemeinen nicht entgegensteht, sondern sich immer als Teil des<br />
Allgemeinen verstehen müsse. Der Mensch habe Ansprüche an sich selbst und wolle tüchtig<br />
und kompetent sein. Er habe jedoch auch Erwartungen an die Verlässlichkeit der Anderen und<br />
210 Vgl. Gerhardt, Selbstbestimmung (1999), S. 15.<br />
211 Vgl. a.a.O., S. 18.<br />
212 a.a.O., S. 22.<br />
213 a.a.O., S. 30.<br />
55