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Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück

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Einzelnen“ 272 sein müssten. Einen Gegner der Biopolitik sieht Gerhardt vor allem in den<br />

christlichen Kirchen, die unter anderem im Verbrauch embryonaler Zellen einen Verstoß<br />

gegen die Heiligkeit des Lebens sähen. Gerhardt argumentiert dagegen, dass weder im Alten<br />

noch im Neuen Testament die Nutzung der Natur im Dienst menschlicher Interessen verboten<br />

sei. Der Anfang menschlichen Lebens sei im frühen Judentum in der Geburt gesehen worden<br />

und die Beseelung um den vierzigsten Tag nach der Befruchtung sei erst viel später durch<br />

heidnische Denker hinzugekommen. Zudem sieht Gerhardt ein Problem darin, wenn die<br />

Kirchen nicht nur für ihre Gläubigen, sondern für alle Menschen sprechen, wenn sie ein<br />

Verbot der Forschung an embryonalen Zellen fordern. Seiner Meinung nach sind die Kirchen<br />

aber nicht in der Position, sich so zu verhalten, da ihre Autorität nicht auf Wissen, sondern auf<br />

Glauben beruhe. Nicht die Sanktion sollte im Vordergrund stehen, sondern die Stärkung der<br />

individuellen Verantwortung. 273<br />

Für Robert Spaemann führen die Fortschritte der Biotechnologie zu einer Erschütterung des<br />

ärztlichen Berufsethos. 274 Durch die neuen technischen Möglichkeiten stellten sich auch<br />

Fragen, die so bisher nicht aufgetreten seien. So müsse beispielsweise die Regel, alles zu tun,<br />

um ein Leben zu erhalten, neu durchdacht werden angesichts der medizinischen<br />

Möglichkeiten, ein Leben mit Hilfe von Maschinen auch dann zu erhalten, wenn der Mensch<br />

natürlicherweise gestorben wäre. Die neue Technik kollidiere beispielsweise mit der<br />

„Ermöglichung eines menschenwürdigen Sterbens“ 275 . Zudem werde das Berufsethos<br />

erschüttert, wenn nicht mehr mit einem Konsens zu rechnen ist, sondern jeder Arzt sich<br />

ausdrücklich entscheiden müsse. An dieser Stelle erinnert er an die Ärzte im Dritten Reich,<br />

die sich als Zeichen dafür, dass sie sich der Diktatur nicht unterordnen, den Hippokratischen<br />

Eid ins Wartezimmer hängten. Spaemann hält die Angst des Menschen vor seiner<br />

Entpersonalisierung durch die technisierte Medizin für begründet. Eine kritische Abwägung<br />

dessen, was der medizinische Fortschritt mit dem Menschen mache, sei jedoch nur möglich,<br />

wenn die Leidbeseitigung nicht zum obersten Zweck erhoben werde. 276 Dass der Mensch die<br />

Erde durch Kultivierung transformiere und so eine Symbiose von Natur und menschlicher<br />

Arbeit schaffe, hält Spaemann für angemessen. 277 Bei Züchtungen sei bisher jedoch auch<br />

nicht in das genetische Substrat eingegriffen worden, sondern es sei lediglich eine geplante<br />

272<br />

Gerhardt, Was Biopolitik ist und was gegen sie spricht, in: Forschung & Lehre 8/2002, S. 410.<br />

273<br />

Vgl. a.a.O., S. 412.<br />

274<br />

Vgl. Spaemann, Die Herausforderung des ärztlichen Berufsethos (1991), in: Ders., Grenzen (2001), S. 336.<br />

275<br />

a.a.O., S. 337.<br />

276<br />

Vgl. a.a.O., S. 351.<br />

277<br />

Vgl. Spaemann, Technische Eingriffe in die Natur als Problem der politischen Ethik (1979), in: Ders.,<br />

Grenzen (2001), S. 459.<br />

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