Christina Kosbü - repOSitorium - Universität Osnabrück
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macht, um verzeihen zu können, ohne ungerecht den Opfern des Bösen gegenüber zu sein. 117<br />
Um die beiden Unbedingtheiten, die in Gott wirken, näher zu erläutern, zieht Spaemann<br />
Thomas von Aquins Aussage von den beiden Willen Gottes heran. Auf der einen Seite stehe<br />
der Geschichtswille Gottes, der uns verborgen sei, bis das Geschehene eintritt. Auf der<br />
anderen Seite stehe der Gebotswille Gottes, der den Menschen bekannt sei. Der Mensch<br />
übertrete den Gebotswillen Gottes ständig, aber hindere Gott nicht daran, seinen<br />
Geschichtswillen auszuüben. Vielmehr „dienen [die Sünden] dennoch seinem Willen“ 118 .<br />
Spaemann vergleicht Gott mit einem Maler, der ein Kunstwerk schafft und dabei von einem<br />
Bösewicht durch Farbkleckse immer wieder gestört wird. Der Maler schaffe aber aus jedem<br />
Farbklecks wieder etwas Schönes, Besseres, sodass am Ende dennoch das fertige, gelungene<br />
Kunstwerk stehe und jeder Farbklecks notwendig war, um letztlich das Kunstwerk zu<br />
schaffen, das endlich entsteht. 119<br />
3.1.4 Der Mensch als Spur Gottes in der Welt<br />
Weiterhin geht Spaemann davon aus, dass Gott seine Spur in der Welt hinterlassen hat, sodass<br />
wir sie finden können, wenn wir wollen. Die Tatsache, dass sich das Gerücht von Gott seit so<br />
langer Zeit hält, sieht er als ein Indiz dafür, dass es Menschen gibt und immer schon gegeben<br />
hat, die die Spur Gottes wahrnehmen. Derjenige, der eine Spur gefunden hat, ist seiner<br />
Meinung nach wichtiger als der, der keine gefunden hat. 120 Als Spur Gottes in der Welt sieht<br />
Spaemann den Menschen:<br />
„Wir wissen nicht, wer wir sind, ehe wir wissen, wer Gott ist, aber wir können nicht von Gott wissen,<br />
wenn wir die Spur Gottes nicht wahrnehmen wollen, die wir selber sind, wir als Personen, als endliche,<br />
aber freie und wahrheitsfähige Wesen.“ 121<br />
Das Dilemma, das Spaemann hier beschreibt, ist, dass der Mensch selbst die Spur Gottes ist<br />
und sich insofern selbst als solche erkennen müsste. Genau dies geschehe im Zeitalter des<br />
Szientismus jedoch oft nicht mehr. Vielmehr sehe der Mensch nicht mehr, wer er eigentlich<br />
ist, und halte die Vernunft für ein Produkt der Evolution, „das mit Wahrheit nichts zu tun<br />
hat“ 122 . Unter diesen Voraussetzungen könne der Mensch nicht erwarten, dass ihm die<br />
117 Vgl. Spaemann, Rationalität und Gottesglaube (2005), S. 5.<br />
118 ebd.<br />
119 Vgl. ebd.<br />
120 Vgl. a.a.O., S. 7.<br />
121 a.a.O., S. 9.<br />
122 ebd.<br />
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