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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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destabilisiert. <strong>Die</strong> Möglichkeiten, die Marian im Kontakt mit Gleichaltrigen hätte und<br />

dass sein Lerneifer und seine Wissbegierde dort entsprechend gefördert werden<br />

könnten, ist ihnen bewusst. Gleichermaßen wissen sie um die tatsächliche Situation in<br />

der Schule, die Marian kaum Rückzugsmöglichkeiten bietet, weil keine gesonderten<br />

Räume zur Verfügung stehen bzw. nur zu bestimmten Zeiten für bestimmte Klassen<br />

geöffnet werden. Auch bauliche oder dekorative Maßnahmen scheinen innerhalb des<br />

Klassenzimmers nicht möglich. Marians Eltern reflektieren sehr deutlich ihre<br />

Enttäuschung über fehlende Kooperation und den teilweise bewussten Ausschluss ihres<br />

Sohnes <strong>von</strong> Ausflügen oder Ferienangeboten. Ihre Vorschläge an der Gestaltung der<br />

Räumlichkeiten oder der Strukturierung des Unterrichts unterstützend tätig zu werden,<br />

damit Marians Schulbesuch gesichert werden kann, werden meist nicht angenommen.<br />

Sie machen sich Gedanken über eventuelle Ursachen und Gründe, die zu dem Verhalten<br />

seitens der Schule führen. Sie sehen die Belastung der Lehrkräfte und das<br />

Spannungsfeld, in dem sich diese bewegen. Sie erkennen mögliche Ängste vor<br />

Kompetenzverlusten und dem Bedürfnis seitens der Lehrkräfte, sich nicht in ihrer<br />

Arbeit beobachten lassen zu wollen. Susi und Lothar mutmaßen über die Effekte, die ihr<br />

vehementer Einsatz für Marian hervorruft und den Druck, den sie damit unter<br />

Umständen ausüben. Auch in dem institutionellen Feld der Schule versuchen sie, sich<br />

und vor allem Marian nicht an den Rand drängen zu lassen. Sie stellen Marians<br />

Bedürfnis nach Sicherheit und Struktur in den Fordergrund, nicht um ihn auszugrenzen,<br />

sondern um Bedingungen zu schaffen, die Marian das Lernen ermöglichen und das<br />

Recht auf Teilhabe am Unterricht einlösen.<br />

Das Wissen, welches die Eltern über ihr Kind haben, wird seitens der so genannten<br />

Fachleute häufig nicht als Kapital betrachtet oder es wird als Bedrohung empfunden.<br />

<strong>Die</strong> Ignoranz dieses Wissens, ebenso wie die Verweigerung der freien Schulwahl oder<br />

die Herabsetzung <strong>von</strong> Pflegestufen usw. bedeuten <strong>soziale</strong> Regelverletzungen, die der<br />

Familie das Leben erschwert.<br />

Marians Eltern zeigen ein hohes Maß an Kompetenz und bemühen sich um die<br />

Anerkennung ihrer Familie. Sie wehren sich gegen verdinglichende Diagnosen und<br />

Prognose, lehnen institutionalisierte Techniken der Rehabilitation und Integration ab<br />

und kämpfen gegen gesellschaftliche Fantasmen über <strong>Behinderung</strong>. Damit<br />

<strong>durch</strong>brechen sie die Trias, die nach NIEDECKEN zur ‚Institution<br />

Geistigbehindertsein’ führt und ermöglichen ihrem Sohn eine Entwicklung außerhalb<br />

isolierender Bedingungen.<br />

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