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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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7. Soziale <strong>Konstruktion</strong> und individuelle Folgen<br />

Anhand der bisherigen Ausführungen habe ich versucht, Entwicklung als einen<br />

dynamischen und interaktiven Prozess entlang bestimmter Entwicklungspfade<br />

darzustellen. Es sollte verdeutlicht werden, dass sich das Werden eines Menschen nicht<br />

auf singuläre Faktoren oder eindimensionale Beschreibungen reduzieren lässt, denn im<br />

Fall einer vorliegenden organischen Störung wirken sich günstige und ungünstige<br />

Umwelten ebenso auf die Entwicklung des Individuums aus, wie sich in Kontexten<br />

isolierender Umweltbedingungen Hirnfunktionen weitgehend verändern können. <strong>Die</strong><br />

Hirnentwicklung eines Menschen kann beispielsweise nicht herausgerissen aus ihrer<br />

Struktur, Funktion und der Lebensrealität des Betroffenen betrachtet werden. Ebenso<br />

wenig können Psychopathologien und Verhaltensauffälligkeiten getrennt <strong>von</strong><br />

neurologischen oder organischen Befunden und ihrer Einbettung in das <strong>soziale</strong> Umfeld<br />

analysiert werden. <strong>Die</strong> vorangegangenen Beschreibungen beziehen sich weitestgehend<br />

auf die Auswirkungen sozial ungünstiger Bedingungen auf der biologischen und<br />

psychischen Ebene. Doch welche Effekte einer diagnostizierten <strong>Behinderung</strong> lassen sich<br />

auf der <strong>soziale</strong>n Ebene feststellen? An welchen Eckpunkten beginnt die <strong>Konstruktion</strong><br />

einer <strong>Behinderung</strong>, im Speziellen einer geistigen <strong>Behinderung</strong> – sind es die <strong>soziale</strong>n<br />

Bedingungen, die darüber entscheiden, wie sich eine Mensch entwickelt, welche<br />

psychischen Funktionen er ausbildet oder sind es physische und organische Störungen,<br />

die derartige Effekte auf das Umfeld haben, dass es mit Isolation und Ausgrenzung auf<br />

den Betroffenen reagiert? In diesem Kapitel möchte ich das Verhältnis zwischen<br />

persönlicher Anerkennung und gesellschaftlicher Ausgrenzung sowie die daraus<br />

entstehenden Konsequenzen für das Individuum beschreiben.<br />

7.1 Spuren der Gewalt<br />

<strong>Die</strong> Ausführungen zum Aufbau psychischer Funktionen, die Notwendigkeit <strong>von</strong><br />

Bindungsbeziehungen und die Auswirkungen deprivierender oder traumatischer<br />

Erfahrungen haben gezeigt, dass Symptome, die aus rein reduktionistischer Sicht als<br />

pathologisch wahrgenommen werden, für das Individuum sinnvolle Adaptionsprozesse<br />

an ihre Lebenswirklichkeit darstellen. Derartige Prozesse wie Aggressionen,<br />

dissoziative Zustände oder Selbstverletzungen sind häufig auch bei Menschen mit<br />

schwerer geistiger <strong>Behinderung</strong> zu beobachten. JANTZEN präsentiert Zahlen, nach<br />

denen bei diagnostizierter mäßiger geistiger <strong>Behinderung</strong> körperliche Angriffe (8%)<br />

gegenüber destruktivem (2,5%) und selbstverletzendem (3%) Verhalten dominieren. Bei<br />

schwerer geistiger <strong>Behinderung</strong> verdoppelt sich die Häufigkeit, bleibt jedoch in ihrer<br />

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