09.10.2013 Aufrufe

Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Verängstigung auslösten. Marian konnte in dieser ersten Zeit keine Form der Nähe oder<br />

Zuwendung ertragen. Sowohl körperliche Nähe als auch abendliches Vorlesen und<br />

Singen schienen bei ihm negative Gefühle auszulösen. Zärtliches Berührtwerden war<br />

damals ein Auslöser für panikartige Reaktionen.<br />

<strong>Die</strong>se Angst vor Berührungen hat sich nach Aussagen der Eltern inzwischen gelegt,<br />

doch nach wie vor gibt es Dinge, die Marian in Panik versetzen oder sogar<br />

Notsituationen auslösen können. Dazu gehören Menschenansammlungen, bestimmte,<br />

für die Eltern nicht wahrnehmbare oder zuordnenbare Gerüche oder Geräusche sowie<br />

schnelle Handbewegungen. Noch immer kann es passieren, dass Marian stark<br />

verunsichert wird oder sogar destabilisiert, wenn eine Frau mit einer Tasse in der Hand<br />

auf ihn zukommt. Besonders in der ersten Zeit in Deutschland hat diese Wahrnehmung<br />

einer Frau mit einer Tasse bei ihm zu großer Not geführt. Ebenso erscheint Marians<br />

Schmerzempfinden bis heute reduziert. In Situationen in denen er sich sehr weht tue,<br />

werde Marian einfach ganz still, beschreibt Lothar die Symptome. <strong>Die</strong>se Reaktionen<br />

lassen vermuten, dass Marian in seinen ersten zwei Lebensjahren Gewalterfahrungen<br />

gemacht hat, die bis heute wirken. Auch bestimmte Erinnerungen an die Vergangenheit<br />

scheinen ihn zu verfolgen und in bestimmten Situationen zu verschlingen.<br />

2.4 Umzug, Kindergarten und weitere Meilensteine<br />

Susi und Lothar waren nach dieser Zeit um und nach Weihnachten 1999 sehr<br />

verunsichert. Sie hatten Marian in dem Kindergarten der Lebenshilfe angemeldet,<br />

zweifelten jedoch nach dieser Krise, ob Marian die Veränderung würde aushalten<br />

können. Sie entschieden sich diesen Schritt zu wagen und somit wurde Marian Mitte<br />

Januar das erste Mal <strong>von</strong> einem Bus der Lebenshilfe abgeholt. Er reagierte emotionslos,<br />

teilnahmslos und schaute mit leerem Blick geradeaus. Nach zwei Wochen bekam er<br />

Scharlach und fiel für das nächste halbe Jahr zurück in einen „Koma ähnlichen“<br />

Zustand. Immer wieder überlegten Susi und Lothar, ihn aus der Gruppe<br />

herauszunehmen mit der Konsequenz, dass der Platz dann verfallen wäre. Sie<br />

versuchten die Reaktionen ihres Sohnes als sein Schutzverhalten anzunehmen und<br />

ließen ihn in dem Kindergarten. Etwa nach einem halben Jahr begann eine Phase, in der<br />

Marian neugierig wurde und anfing, alles zu erkunden. Lothar schildert, wie sie<br />

versuchten hätten die Fortschritte ihres Sohnes zu dokumentieren, aber aufgrund der<br />

Fülle und des Tempos, welches Marian in dieser Zeit vorlegte, einfach nicht<br />

hinterhergekommen seien. Marian entdeckte beispielsweise, wie er auf sich aufmerksam<br />

machen und um Hilfe bitten konnte. Er stieß ein paar Laute aus, die nach „hij, hij, hij“<br />

22

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!