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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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antworte an einem Tag: „Nee, gucken“. Plötzlich schob Marian die Unterlippe vor und<br />

sagte: „Spielen Fußball“, es liefen Tränen und Marian wollte in Haus gehen und die Tür<br />

schließen. Lothar vermutet anhand dieser Reaktion bei seinem Sohn Trauer über die<br />

Beeinträchtigung, die ihn daran hindere mit den anderen Kindern Fußball zu spielen.<br />

Marian entwickelte sich im Laufe der Zeit in allen Bereichen weiter. Neben der oben<br />

beschriebenen Sprachentwicklung, sind auch in der Motorik große Fortschritte zu<br />

erkennen. Marian läuft kurze Strecken vor allem in der Wohnung alleine. Seine linke<br />

Körperhälfte bezieht er immer häufiger in sein Handeln ein. Angefangen hat diese<br />

Bewusstwerdung damit, dass Marian seine linke Hand mit der rechten gestreichelt oder<br />

geklatscht hat. Er baut sie mittlerweile in Bewegungsabläufe ein und auch seinen linken<br />

Fuß kann er immer häufiger adäquat aufsetzen, d.h. mit dem ganzen Fuß und nicht nur<br />

mit der Fußspitze auftreten. Auf den Hinweis, er solle doch an seinen linken Fuß<br />

denken, kann er dies sofort umsetzen. Beim Klavierspielen beispielsweise steht er sicher<br />

auf beiden Füßen. Marian ist sehr musikalisch. Er kann sowohl einige ihm bekannte<br />

Kinderlieder in Akkorden greifen, als auch seine Stimmungen mit Hilfe der Musik<br />

ausdrücken. Dazu variiert er in den Tonlagen. Er setzt dabei zum Teil auch seine linke<br />

Hand ein.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklungen lassen die Diagnose einer linksseitigen Hemiparese als<br />

unwahrscheinlich erscheinen. <strong>Die</strong> Eltern vermuten eher eine Dyspraxie, also eine<br />

Wahrnehmungsstörung in der linken Körperhälfte, bedingt <strong>durch</strong> die Fixierung im<br />

Kinderheim. Wie bereits oben beschrieben, wissen die Eltern lediglich, dass man<br />

Marian in seinem Bett an der linken Hand und dem linken Fuß angebunden hatte,<br />

jedoch nicht wie lange.<br />

Eine weitere Diagnose, die über die Jahre immer mal wieder aufgestellt wurde, ist<br />

Autismus. Lothar schildert, dass sie letztlich <strong>von</strong> der Lebenshilfe aufgefordert worden<br />

seien, Marian aufgrund seiner Selbstverletzungen in Richtung Autismus untersuchen zu<br />

lassen. Sie wendeten sich daraufhin an eine Autismusberatungsstelle, die ihnen Jahre<br />

zuvor bei einem allerersten Kontakt geraten hatte, erst einmal einige Jahre abzuwarten,<br />

bis Marian „richtig angekommen sei“ und ihn dann untersuchen zu lassen. Lothar<br />

schilderte dem zuständigen Psychologen Marians Symptome, seine Geschichte und<br />

füllte einen Fragebogen aus. Einige Tage später erhielten die Eltern einen Anruf <strong>von</strong> der<br />

Beratungsstelle, die ihnen mitteilte, Marian habe eine besonders „aggressive Form“ des<br />

Autismus, da müsse umgehend eine medikamentöse Einstellung stattfinden, sie sollten<br />

mit Marian einen Termin für einen stationären Aufenthalt in der Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie machen. Susi und Lothar entschlossen sich, diesen Termin in der<br />

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