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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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desto eher die Gefahr unreflektierter - auf Techniken orientierte, Kompetenzen<br />

negierende und Anerkennung außer Kraft setzende – trivialisierender<br />

Behandlungsverfahren“ (vgl. Turnbull, 1985, zit. nach Jantzen, 2002a, S. 8). Neben den<br />

Gewalterfahrungen, die JANTZEN als den „verborgenen Kern geistiger <strong>Behinderung</strong>“<br />

bezeichnet (2002b), sind auch die Transaktionen zwischen geistig behinderten Kindern<br />

und ihren Bezugspersonen häufiger gefährdet oder gar gestört. <strong>Die</strong>tmut NIEDECKEN<br />

schreibt vom ‚Geistigbehindertwerden’, <strong>von</strong> Fantasmen und vom verlorenen<br />

Menschlichen.<br />

7.2 ‚Institution Geistigbehindertsein’ 21<br />

NIEDECKEN benennt in Bezug auf die ‚Institution Geistigbehindertsein’ drei<br />

Merkmale, die diese organisieren. Zum einen geht sie da<strong>von</strong> aus, dass kein Mensch mit<br />

einer geistigen <strong>Behinderung</strong> geboren werden kann. Wie auch in dieser Arbeit<br />

beschrieben, ist das Neugeborene zu keinerlei geistiger Differenzierung in der Lage,<br />

sondern entwickelt sein Psychisches in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt.<br />

Innerhalb dieser Transaktionen werden dem Kind die Einstellungen und Haltungen<br />

seines Umfeldes ihm gegenüber vermittelt.<br />

<strong>Die</strong> Diagnose, die gesellschaftlichen Fantasmen vom ‚Geistigbehindertsein’ sowie die<br />

institutionalisierte Techniken der Rehabilitation und Integration bezeichnet die Autorin<br />

als Organisatoren der Institution ‚Geistigbehindertsein’, da sie mit ihrer Aussprache<br />

oder dem bloßen Verdacht Einfluss auf die Beziehung zwischen der Mutter und ihrem<br />

behinderten Kind nehmen. <strong>Die</strong> Behandlungstechnologien dienen schließlich dem Ziel,<br />

die zu Therapierenden noch weiter in jene Ecke zu drängen, in die wir sie aufgrund der<br />

Diagnose und gesellschaftlicher Vorstellungen bereits abgeschoben haben (vgl.<br />

Niedecken, 2003, S. 25f.).<br />

NIEDECKEN stellt die Angst in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen: Angst, sich mit<br />

„diesen Menschen“ einzulassen und aufgrund dieser Angst immer wieder ihre<br />

Andersartigkeit zu betonen, sich abzugrenzen und sie einer Therapie zu unterwerfen, die<br />

sie ein Stückchen gleicher machen könnte. Angst vor dem Eingeständnis <strong>von</strong><br />

„Tötungsfantasien“ oder „Wegmachwünschen“, die sich Eltern nicht eingestehen<br />

können. Angst vor der eigenen Schuld, vielleicht in der Schwangerschaft doch etwas<br />

falsch gemacht und damit eine <strong>Behinderung</strong> provoziert zu haben. Angst vor der<br />

21 „Institutionen sind zu festen Regelsystemen verdinglichte hierarchische Interaktionsstrukturen, die<br />

nicht mehr in ihrer interaktiven Bedeutung gesehen werden, sich vielmehr naturhaft-unabänderlich<br />

darstellen“ (Niedecken mit Bezug auf Mannoni, 2003, S. 17f).<br />

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