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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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Marians Vater schildert, wie er versuchte mit seinem Sohn „ins Gespräch zu kommen“.<br />

Er legte sich neben ihn auf den Fußboden und begann Marian nachzuahmen, indem er<br />

den Fußboden und alle möglichen Gegenstände „beklopfte“. Eine große Zimmerpflanze<br />

mit langen herunterhängenden Wurzeln beschreibt Lothar als anfängliches<br />

Kommunikationsobjekt. Vater und Sohn lagen unter dieser Pflanze, klopften daran,<br />

zogen an den Wurzeln, sahen sich an und Marian begann auch seinen Vater zu<br />

beklopfen, ihn zu berühren und ihn zu betrachten. Besonderes Interesse hatte Marian an<br />

seinen Augen, immer wieder versuchte er diese zu berühren.<br />

Irgendwann „sprachen“ beide miteinander, indem sie ihre Fingerspitzen gegeneinander<br />

stießen. Lothar veränderte die „Lautstärke“ bzw. die Intensität des Klopfens, mal<br />

klopfte er laut, bis die Fingerkuppen bluteten, mal klopfte er leise, um zu flüstern.<br />

Marian konnte diese Angebote und Variationen annehmen und darauf eingehen. Mit<br />

dem „Flüstern“ entstand das erste Mal Blickkontakt beschreibt Lothar die<br />

Auswirkungen. Mit der Stimme und über Laute verlief es ähnlich. Marian gab am<br />

Anfang tiefe Krächzlaute <strong>von</strong> sich. Lothar imitierte diese Laute, variierte aber ebenfalls<br />

in der Lautstärke und im Rhythmus. Marian lag dann häufig mit wachem Blick da und<br />

begann, in dem gleichen Rhythmus zu antworten. So entwickelte sich ein Dialog und<br />

nach einiger Zeit ging Lothar zu einem einfachen Singsang über, was Marian sehr<br />

begeisterte. Lothar sagt, dass sich die Kommunikation so Schritt für Schritt entwickelt<br />

habe. Nach diesem Schritt setzte auch die motorische Entwicklung ein. Marian lernte zu<br />

sitzen.<br />

Es habe allerdings auch immer wieder Phasen gegeben, in denen Marian <strong>von</strong> einer<br />

Sekunde auf die nächste in „Wachkoma ähnliche Zustände“ gefallen sei, ohne<br />

erkennbare Auslöser für die Eltern. Nach solchen Phasen seien dann häufig bereits<br />

erworbene Fähigkeiten verschwunden gewesen und erst nach einiger Zeit wieder<br />

aufgetaucht. Gegen Ende des Jahres 1999, also knapp ein Jahr nach der Adoption und in<br />

einem Alter <strong>von</strong> fast drei Jahren, kam es zu einem für die Eltern nicht erklärbaren<br />

Einbruch. Marian zeigte verstärkt Berührungsängste, ohne dass die Eltern einen<br />

Auslöser erkennen konnten. <strong>Die</strong> motorische Entwicklung stellte Marian komplett ein.<br />

Er zog sich auf sein früheres Fortbewegungsniveau zurück, indem er sich auf dem<br />

Rücken liegend seitwärts über Hüfte und Kopf vorwärts robbte. Zu Weihnachten geriet<br />

Marian dann regelrecht in Panik. Er betrat mit seinem Bruder und seinem Vater das<br />

Zimmer, in dem der Weihnachtsbaum hell leuchtete und außer ein paar Kerzen alle<br />

anderen Lichter gelöscht waren. Weihnachtsmusik war zu hören. Marian begann<br />

daraufhin sehr intensiv zu weinen. Susi und Lothar berichten, dass sie bei ihrem Sohn<br />

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