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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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und Erfahrungen. Der Mensch der auf Austausch, Dialog und Wechselbeziehung zu<br />

anderen angewiesen ist, wird <strong>durch</strong> ein Nichterfüllen dieser Grundbedürfnisse in<br />

hochgradige Isolation gestürzt. Es fehlt an lebensnotwendigen Informationen <strong>von</strong><br />

außen, die das System integrieren und darüber Stabilität erlangen könnte.<br />

6.1.2 Isolation als zentraler Begriff<br />

Wie bereits unter 6.1 beschrieben, kennzeichnen sowohl innere als auch äußere<br />

isolierende Bedingungen ein verändertes Verhältnis zwischen dem Individuum und<br />

seiner Umwelt. <strong>Die</strong>se veränderte Beziehung nimmt Einfluss auf das Erleben der<br />

Wirklichkeit des Einzelnen und damit auf die Einheit seiner psychischen Prozesse. Der<br />

Aufbau des Psychischen ist abhängig <strong>von</strong> der <strong>soziale</strong>n Gesamtsituation in dem jeweils<br />

konkreten Lebensumfeld. Isolation, ob <strong>durch</strong> äußere Umstände der Institutionalisierung<br />

erzeugt oder <strong>durch</strong> eine Schädigung des Gehirns begründet, versetzt den Menschen in<br />

eine Situation, in welcher er sein Leben unter erschwerten Bedingungen organisieren<br />

muss. Anhand zahlreicher Beispiele lässt sich zeigen, dass <strong>Behinderung</strong> unter<br />

Bedingungen der Isolation konstruiert wird. Psychische Auffälligkeiten oder sekundäre<br />

und tertiäre Kompensationsmuster wie VYGOTSKIJ sie bezeichnet (vgl. Vygotskij,<br />

2001b), die häufig im Zusammenhang mit schwerer geistiger <strong>Behinderung</strong> gesehen<br />

werden, resultieren meist aus isolierenden Lebensverhältnissen.<br />

Anhand einer ethnomethodologischen Studie beschreibt David GOODE (1994, vgl.<br />

Rusch 2001) die Auswirkungen isolierender Bedingungen auf Kinder mit „Rubella-<br />

Syndrom“. Er zeigt, dass sich schwere geistige <strong>Behinderung</strong> entsprechend des <strong>soziale</strong>n<br />

Umfeldes der Mädchen auf bestimmte Art und Weise sozial konstruiert. Deutliche<br />

Unterschiede in der Betrachtung und Einschätzung der Fähigkeiten der betreffenden<br />

Mädchen lassen sich, so GOODE, aus ihrem jeweiligen Lebensumfeld heraus erklären.<br />

<strong>Die</strong> Beurteilung der <strong>Behinderung</strong> und die daraus resultierenden Möglichkeiten<br />

beschreibt er als abhängig <strong>von</strong> den jeweiligen Lebenszusammenhängen, je nachdem ob<br />

die Mädchen in einer Großeinrichtung mit medizinischem oder pädagogisch geschultem<br />

Betreuungspersonal interagieren oder ob die Kommunikation innerhalb der Familie auf<br />

der engen Bindung der Familienmitglieder beruht.<br />

<strong>Behinderung</strong> als ein Resultat isolierender Bedingungen betrachten zu können, setzt<br />

voraus, dass der Mensch in seiner Ganzheit betrachtet wird, in der Gesamtheit der bio-,<br />

psycho- <strong>soziale</strong>n Einheit und der Verhältnisse zwischen ihnen. VYGOTSKIJ betont<br />

bereits 1931 das Wechselverhältnis <strong>soziale</strong>r und biologischer Gesetzmäßigkeiten in der<br />

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