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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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Besonders im Kindergarten kam es zu großen Spannungen. Lothar vermutet, dass das<br />

Kindergartenpersonal mit Marian und seinen Selbstverletzungen überfordert gewesen<br />

sei und dass sie diese kaum hätten aushalten können. Marians Reaktionen wurden dort<br />

nicht als Ausdruck seiner Not gesehen, sondern als unerwünschtes Verhalten und als<br />

Ausdruck <strong>von</strong> „Machtstrategien“, die Marian ausnutzte, um seinen Willen<br />

<strong>durch</strong>zusetzen.<br />

Nach dieser Zeit verstärkter Selbstverletzungen kam zu Situationen, in denen Marian<br />

plötzlich aus einer Spielsituation und aus für sie wahrgenommener Zufriedenheit heraus<br />

„abtauchte“ in stark reduzierte Ansprechbarkeit. Hinzu kam, dass sich Marians Stimme<br />

in diesen Situationen extrem veränderte, sehr tief wurde und er seinen Vater mit<br />

Schlägen attackierte. <strong>Die</strong>se Handlungen und auch die Veränderung der Stimme waren<br />

zuvor nicht aufgetreten.<br />

<strong>Die</strong> Eltern und die behandelnden Ärzte im Sozialpädiatrischen Zentrum entschlossen<br />

sich trotz Marians Angst vor Manipulationen am Kopf zu einem EEG-<br />

Ableitungsversuch. Marian bekam zusätzlich zu 16 Stunden Schlafentzug eine doppelte<br />

Erwachsenendosis eines starken Antihystaminikums („Moonlight“). Als Marian mit<br />

seinen Eltern den Behandlungsraum betrat, war er trotz dieser Dosis hellwach und<br />

reagierte mit großer Angst. Sie verließen umgehend die Klinik um Marians „Sicherheit“<br />

wieder herzustellen. Der Versuch wiederholt sich einige Zeit später mit dem gleichen<br />

Ergebnis. Der behandelnde Arzt vermutete aufgrund Marians „Erlebnispakets“ und der<br />

plötzlich veränderten Stimme sehr vorsichtig eine multiple Persönlichkeitsstörung, riet<br />

den Eltern jedoch erst einmal abzuwarten, aber den Verdacht im Hinterkopf zu behalten.<br />

Lothar schildert, dass er Marians Handlungen immer eher als Ausdruck eines großen<br />

Leidens wahrgenommen und sich nie bösartig angegriffen gefühlt habe. Im Nachhinein<br />

sei er froh, dass er sich nicht habe verrückt machen lassen, denn sowohl die veränderte<br />

Stimme als auch die Attacken auf ihn seien so plötzlich verschwunden wie sie<br />

gekommen waren. Trotzdem begannen Lothar und Susi in dieser Zeit, sie datieren diese<br />

Phase auf einen Zeitraum <strong>von</strong> etwa 2001 bis 2003, zu überlegen, was Marian brauchte.<br />

Sie hatten das Gefühl, er wolle etwas mitteilen und kamen zu dem Schluss, dass Marian<br />

Worte oder Symbole, auf jeden Fall Ausdrucksmöglichkeiten für Empfindungen<br />

brauche, damit er diese ausdrücken könne. Zuerst stellten sie fest, dass Marian weder<br />

lachte noch richtig weinte. Sie versuchten Marians Stimmungen aufzuspüren und<br />

stellten in Situationen der Trauer eine tiefe Verbundenheit fest. Sie übten sämtliche<br />

Emotionen wie Wut, Freude und Traurigkeit mit Marian, indem sie, sobald sie meinten<br />

die Stimmung wahrzunehmen, mit entsprechendem Gesichtsausdruck und passender<br />

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