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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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eschränkt wird. Deprivation kennzeichnet einen Mangel oder Entzug <strong>von</strong> Dialog und<br />

Interaktion mit anderen Menschen.<br />

Insbesondere die Arbeiten <strong>von</strong> SPITZ zeigen, dass bei Säuglingen und Kleinkindern<br />

trotz ausreichender Ernährung und hygienischer Pflege weitreichende psychische und<br />

psychosomatische Entwicklungsstörungen auftreten, wenn sie für einen längeren<br />

Zeitraum <strong>von</strong> ihren primären Bezugspersonen getrennt werden. SPITZ untersuchte die<br />

Folgen des Entzugs affektiver Zufuhr, den die Kinder als Bindungs- oder<br />

Beziehungsverlust wahrnehmen. Der Grad der Schädigung, den das Kind <strong>durch</strong> den<br />

Entzug seiner Mutter erleidet, ist <strong>von</strong> der Quantität und nicht <strong>von</strong> der Qualität der<br />

Abwesenheit abhängig, so SPITZ (1969, S.279). Er unterscheidet infolgedessen zwei<br />

Kategorien: den partiellen und den totalen Entzug affektiver Zufuhr. <strong>Die</strong> aus beiden<br />

resultierenden Syndrome sind nicht klar <strong>von</strong>einander zu trennen und gehen ineinander<br />

über. SPITZ differenziert des Weiteren zwischen drei Phasen, die <strong>durch</strong> einen<br />

unterbrochenen Dialog hervorgerufen werden können. <strong>Die</strong> erste Phase bezeichnet er als<br />

anaklitische Depression und schildert deren Verlauf wie folgt:<br />

„Erster Monat: <strong>Die</strong> Kinder werden weinerlich, anspruchsvoll und klammern sich gern<br />

an den Beobachter, sobald es ihm gelungen ist, den Kontakt mit ihnen herzustellen.<br />

Zweiter Monat: Das Weinen geht oft in Schreien über. Es kommt zu Gewichtsverlusten.<br />

Der Entwicklungsquotient steigt nicht mehr.<br />

Dritter Monat: <strong>Die</strong> Kinder verweigern den Kontakt. Sie liegen meistens in ihren<br />

Bettchen auf dem Bauch – ein pathognomisches Zeichen […]. Beginn der<br />

Schlaflosigkeit; weitere Gewichtsverluste. Es besteht eine Anfälligkeit für<br />

hinzutretende Erkrankungen; die motorische Verlangsamung wird allgemein. Erstes<br />

Auftreten des starren Gesichtsausdrucks […].<br />

Nach dem dritten Monat: Der starre Gesichtsausdruck wird zur Dauererscheinung. Das<br />

Weinen hört auf und wird <strong>durch</strong> Wimmern ersetzt. <strong>Die</strong> motorische Verlangsamung<br />

nimmt zu und mündet in Lethargie. Der Entwicklungsquotient fängt an zu sinken.“<br />

(ebda, S.282f).<br />

Bei einem Kind, welches seine Bezugsperson länger als drei Monate entbehren muss,<br />

tritt nach dieser Zeit für einen Zeitraum <strong>von</strong> etwa zwei Monaten, so SPITZ, eine<br />

Übergangszeit ein, in der sich alle Symptome der anaklitischen Depression verfestigen.<br />

Kommt es innerhalb dieser Übergangszeit zu einer Wiedervereinigung zwischen Mutter<br />

und Kind, erholen sich die meisten Kinder. SPITZ bezweifelt jedoch, dass die Genesung<br />

vollkommen gelingt. Er nimmt an, dass die Störung Narben hinterlässt, „die in späteren<br />

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