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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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Ebenso wichtig wie Trennung der materiellen Umwelt <strong>von</strong> dem eigenen Körper ist die<br />

zunehmende Differenzierung zwischen der <strong>soziale</strong>n Welt und dem eigenen Selbst.<br />

Durch den Kontakt mit anderen Menschen entstehen über die daraus hervorgerufenen<br />

Emotionen subjektive Empfindungen, die dem Kind die Unterscheidung zwischen dem<br />

Selbst und dem Anderen ermöglicht. WALLON fasst zusammen, dass sich das<br />

Körperbild zwischen den Polen der Individualität und der Umwelt ausdehnt und damit<br />

die Basis für die praktischen und bewussten Handlungen darstellt (vgl. Bauer, 2001, S.<br />

54).<br />

<strong>Die</strong> Schilderungen der Eltern legen nahe, dass Marian seine linke Körperhälfte nicht in<br />

sein Körperschema integrieren konnte. <strong>Die</strong> Fixierungen machten es ihm wahrscheinlich<br />

unmöglich, seine linke Hand oder den linken Fuß zu berühren oder in seine Handlungen<br />

einzubeziehen, so dass sie integriert werden konnten. Marian nahm zwar die mediale<br />

Achse seines Körpers wahr und konnte auch mit der rechten Hand über diese auf die<br />

linke Körperhälfte greifen, das Wahrnehmen seiner linken Hälfte als einen Teil seines<br />

Körpers schien jedoch erst einzusetzen, als er seine linke Hand zum Erreichen <strong>von</strong><br />

Dingen als Werkzeug benutzte. Marians linke Körperhälfte konnte in der ersten Zeit<br />

seines Lebens nicht als psychisches Abbild (vgl. 4.1) repräsentiert werden. Folglich<br />

entstand eine Wahrnehmungsstörung, die erst im Laufe der Zeit über unterstütztes und<br />

verstärktes Einbeziehen in die Tätigkeit überwunden werden konnte. Beim<br />

Klavierspielen steht Marian beispielsweise sicher auf dem linken Fuß und nutzt seine<br />

linke Hand zum Greifen der Tasten. Es liegt nahe, dass die beschriebene<br />

Wahrnehmungsstörung auch Einfluss auf die Ausbildung des Selbst genommen hat.<br />

8.3 <strong>Die</strong> Entwicklung der psychischen Funktionen<br />

<strong>Die</strong> Realisation des Selbst scheint Marian meiner Einschätzung nach mit etwa 3 - 3½<br />

Jahren erreicht zu haben, in den Monaten nach dem Eintritt in den Kindergarten und<br />

nach der Überwindung seiner großen Krise um den Jahreswechsel 1999/2000. Er<br />

entwickelt in dieser Zeit eine enorme Neugier und beginnt alles zu erkunden. Zu dieser<br />

Zeit nutzt Marian erstmals den erwachsenen Partner hinsichtlich der Orientierung auf<br />

einen Gegenstand, es entsteht geteilte Aufmerksamkeit und Marian vollzieht den<br />

Übergang vom dritten zum vierten sensomotorischen Stadium nach PIAGET. An dieser<br />

Stelle möchte ich kurz auf VYGOTSKIJs Theorie der kritischen Altersstufen eingehen,<br />

nach der auf jeder Altersstufe Neues entsteht und sich weiterbildet, was auf den<br />

bisherigen Stufen nicht existierte (vgl. 2001a, S. 59). <strong>Die</strong> Übergänge zwischen den<br />

einzelnen Altersstufen verlaufen in Form kritischer oder krisenhafter Perioden. <strong>Die</strong><br />

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