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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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Entwicklung des Kindes (2001b). „<strong>Die</strong> Schwierigkeiten im Verständnis der<br />

Entwicklung des retardierten Kindes gehen darauf zurück, daß Retardation als Ding,<br />

nicht jedoch als Prozeß betrachtet wurde.“ (ebda.) VYGOTSKIJ konstatiert dass „die<br />

kindliche Anomalie“ nicht als Krankheit gesehen werden darf, sondern in den meisten<br />

Fällen als „Ergebnis anomaler gesellschaftlicher Bedingungen“ hervortritt. Das Kind<br />

wird auf der <strong>soziale</strong>n Ebene mit den Auswirkungen seines Defekts konfrontiert, mit den<br />

Reaktionen und Schwierigkeiten, die es in seinem <strong>soziale</strong>n Umfeld in Folge seiner<br />

„Mangelhaftigkeit“ erfährt. VYGOTSKIJ betont nicht die Bedeutung der<br />

„Mangelhaftigkeit an und für sich“, sondern „die Reaktionen, die in der Persönlichkeit<br />

des Kindes als Antwort auf die Schwierigkeit, mit der es konfrontiert ist und die aus<br />

dieser Mangelhaftigkeit resultiert“ (ebda.). <strong>Die</strong> Reaktionen des Kindes auf den Defekt<br />

bezeichnet er als kompensatorische Prozesse, welche sich auf das Gesamt der drei<br />

Ebenen erstrecken. Bereits zu dieser Zeit besteht demnach die Auffassung, dass nicht<br />

allein die biologische oder organische Ebene des Defekts eine <strong>Behinderung</strong> ausmacht.<br />

<strong>Die</strong> <strong>soziale</strong> Realität des Defekts veranlasst den Menschen zum Umbau des Psychischen<br />

und zur Entwicklung kompensatorischer Muster, um die <strong>soziale</strong>n Auswirkungen des<br />

Defekts auszugleichen. Den Antrieb und die Vorbilder für eben diese<br />

Kompensationsleistungen sieht VYGOTSKIJ im sozial-kollektiven Leben des Kindes,<br />

denn im kollektiven Verhalten findet es „das Material zum Aufbau seiner inneren<br />

Funktionen“ (ebda).<br />

In ähnlicher Weise argumentiert JANTZEN, wenn er schreibt, dass „das Soziale das<br />

Biologische beeinflusst (frühe <strong>soziale</strong> Deprivation und misslingende Bindung führen zu<br />

schwerwiegenden Veränderungen in verschiedenen Funktionssystemen des Gehirns bis<br />

hin zu massivem Zellverlust) (Jantzen, 2001a, S.2).<br />

Mit dem Hintergrund, <strong>Behinderung</strong> als Folge isolierender Bedingungen in der <strong>soziale</strong>n<br />

Umwelt des Betroffenen und damit als <strong>soziale</strong> <strong>Konstruktion</strong> zu betrachten, geht ein<br />

Verständnis <strong>von</strong> <strong>Behinderung</strong> einher, welches besonders geistige <strong>Behinderung</strong> als ein<br />

Resultat <strong>von</strong> erheblicher psychischer Verwundbarkeit erkennt. <strong>Die</strong>se Verwundbarkeit<br />

zeigt sich in <strong>soziale</strong>n Situationen, die für Menschen ohne biologische Schädigungen<br />

ausreichend wären, jedoch unter erschwerten Bedingungen zu massiven Umbildungen<br />

in der Hirnorganisation führen können. Biologische und <strong>soziale</strong> Einflüsse können dabei<br />

nicht auseinander addiert werden, so JANTZEN mit Bezug auf TREVARTHEN und<br />

Mitarbeiter, da das Biologische auf das Soziale ausgerichtet ist, indem ein bereits<br />

vorgeburtlich manifestiertes und neurobiologisch abgesichertes intrinsisches<br />

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