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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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Lust oder Unlust entstehen. <strong>Die</strong> Emotionen scheinen zu diesem frühen Zeitpunkt der<br />

Entwicklung rein zeitlicher Natur gewesen zu sein, jedoch auf eine entsprechende<br />

<strong>soziale</strong> zeitliche Erwiderung zielend (vgl. Wallon, 1984; Servet, 1999; Jantzen, 2004a).<br />

<strong>Die</strong>ser frühe emotionale Austausch stellt die Grundlage für alle höheren<br />

Bewusstseinsfunktionen dar, so dass mit Bezug auf VYGOTSKIJ gesagt werden kann,<br />

dass die primäre Bezugsperson <strong>durch</strong> ihre reziproke und zeitlich strukturierte<br />

Erwiderungen das Gehirn für jede weitere Entwicklung öffnet. Marian scheint eine<br />

derart konstante und dialogische Begleitung nicht erfahren zu haben. Seine leibliche<br />

Mutter hat diese Funktion nicht erfüllt und der Aufenthalt in verschiedenen<br />

Krankenhäusern und Heimen spricht nicht für den Aufbau einer engen Bindung zu<br />

bestimmten Bezugspersonen. Hinzu kommt, dass Marian möglicherweise <strong>durch</strong> die<br />

Hirnhautentzündung organische Beeinträchtigungen erlebt hat, die mit Problemen der<br />

Informationsverarbeitung einhergingen und für ihn eine weitere Hürde im Austausch<br />

mit seiner Umwelt darstellten.<br />

Gehen wir zunächst <strong>von</strong> der Theorie Allan SCHOREs aus, nach der sich die Regulation<br />

<strong>von</strong> Annäherungs- und Vermeidungsverhalten auf der Basis der Regulation des ZNS<br />

zunehmend kortikalisiert und das Kind über wechselseitigen Austausch mit der Mutter<br />

ein sicheres Wechseln („switching“) zwischen den verschiedenen Erregungszuständen<br />

erlernt. <strong>Die</strong> interozeptiven Wahrnehmungen erweitern sich im Laufe der folgenden<br />

Monate um Erfahrungen und Eindrücke aus der Umwelt. Das Kind kann diese jedoch<br />

noch nicht <strong>von</strong> seinem Köper trennen. Zunächst <strong>durch</strong> die sensitive Mutter und Stück<br />

für Stück <strong>durch</strong> Einbezug der höheren Hirnniveaus entsteht eine „kortikalen Regulation,<br />

die eine sichere Einbindung und Trennung <strong>von</strong> Welterfahrungen in das Selbst<br />

gewährleistet“ (Jantzen, 2004a, S. 285). Der <strong>soziale</strong> Austausch wird im limbischen<br />

System bewertet und reguliert zu späteren Zeitpunkten emotionale Erinnerungen<br />

(vgl.5.2).<br />

<strong>Die</strong> Angaben zum Personalschlüssel in den rumänischen Waisenheimen (vgl. Exkurs)<br />

lassen vermuten, dass Marian diese sensible Regulation der Erregungszustände <strong>durch</strong><br />

eine enge Bindungsperson nicht erfahren hat. Vor diesem Hintergrund können Marians<br />

Probleme beim Ausdrücken seiner Emotionen gedeutet werden. Er scheint die<br />

Widerspiegelung seiner Gefühle <strong>durch</strong> einen zugewandten Partner nicht erfahren und<br />

für sich bewertet zu haben. Erst in der sicheren und fürsorglichen Umgebung seiner<br />

Familie konnte ihm sozioemotionales Lernen ermöglicht werden, was dafür spricht,<br />

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