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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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Tätigkeit anzueignen. Ihm wird es an Gegenständen gefehlt haben, an denen er sein<br />

Bedürfnis nach Neuigkeit und Information befriedigen konnte, so dass er seinen Körper<br />

zum Gegenstand gemacht haben dürfte. Das könnte sowohl die Schaukelbewegungen<br />

als auch das Klopfen mit den Fingern, welches seine Eltern nach der Adoption<br />

beobachteten, erklären. Über diese Manipulationen des eigenen Körpers hat sich Marian<br />

Sinn verschafft. Sie sind mithin nicht als Pathologien oder Ausdruck seiner<br />

<strong>Behinderung</strong> zu werten, sondern als Anpassungsprozesse an seine isolierenden<br />

Lebensbedingungen. Mir scheint, dass Marian aufgrund fehlender Gegenstände und<br />

mangelnder Transaktionen mit einer Bezugsperson bis zum Zeitpunkt keinerlei<br />

Objektbeziehungen aufbauen und damit nicht die Phase der manipulierenden Tätigkeit<br />

erreichen konnte. AITKEN und TREVARTHEN kennzeichnen diesen bedeutenden<br />

Schritt als die Trennung zwischen dem realen Selbst und dem realen Anderen auf der<br />

Grundlage des virtuellen Selbst und des virtuellen Anderen. WALLON beschreibt den<br />

Aufbau einer sicheren Repräsentation des Selbst wie folgt (vgl. Wallon, 1984): Der<br />

Erwachsene greift die emotionalen Ausdrucksformen des Kindes auf, darüber kommt es<br />

beim Kind zu ersten Imitationen. Vollzieht das Kind diese Imitationen selbstständig, um<br />

bei dem Gegenüber eine Reaktion hervorzurufen, vollzieht sich im Psychischen eine<br />

Trennung der eigenen Handlungen <strong>von</strong> denen der Erwachsenen, was zu der<br />

Entwicklung des eigenen (realen) Selbst führt. SPITZ schildert diese Phase als die<br />

Trennung zwischen Bekanntem (primäre Bezugspersonen) und Unbekanntem (fremde<br />

Personen) dar, was eine Veränderungsangst oder die „Acht-Monats-Angst“ hervorrufen<br />

kann. Zum einen gilt dieser Übergang als Voraussetzung für alle weiteren psychischen<br />

Repräsentationen, zum zweiten als Bedingung für trianguläre Beziehungen, in denen<br />

das Kind nicht mehr unmittelbar mit Objekten hantiert, sondern vermittelt über diese<br />

auf seine <strong>soziale</strong> Umwelt einwirkt (Trevarthen/Aitken, 1997). <strong>Die</strong>se geteilte<br />

Aufmerksamkeit (Jantzen, 2004a, S. 286) schafft die Grundlagen für das Spiel, den<br />

<strong>soziale</strong>n Werkzeuggebrauch und damit das Lernen (vgl. Leont’ev, 1973, vgl. 4.2).<br />

Von besonderem Interesse für die Entwicklung Marians scheint an dieser Stelle, dass<br />

sich das Gehirn auf verschiedenen Niveaus selbst organisiert. Das belegt die Position<br />

INHELDERs, nach der jeder Mensch die Stufen der Intelligenz, nach Piaget in der<br />

gleichen Reihenfolge, jedoch zum Teil mit zeitlichen Verzögerungen, <strong>durch</strong>läuft.<br />

JANTZEN ergänzt, dass die „Realisierung der Operationsniveaus nach PIAGET eher an<br />

die Frage des kulturellen Zugangs zu den historischen und <strong>soziale</strong>n Mitteln des Denkens<br />

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