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Die soziale Konstruktion von Behinderung durch frühkindliche ...

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Grenzen sind jedoch meist undeutlich. VYGOTSKIJ bezeichnet die kritischen Phasen<br />

als Wendepunkte in der Entwicklung, in denen sich „enorme Umschwünge,<br />

Wandlungen, Verschiebungen in der Persönlichkeit des Kindes“ vollziehen (ebda. S.<br />

61f.) In den kritischen Perioden verliert das Kind beispielsweise Interessen, die in der<br />

Zeit zuvor seine gesamte Tätigkeit bestimmt haben und bis dahin aufgebaute<br />

Beziehungen oder das Innenleben des Kindes verlieren an Bedeutung. VYGOTSKI<br />

charakterisiert die Entwicklung des Kindes als einen dialektischen Prozess, in dem der<br />

Fortschritt immer auch mit dem Absterben und der Transformation zuvor gewonnener<br />

Neubildungen einhergeht (vgl. ebda. S. 68f.). So besteht das Wesentlichste an der<br />

Entwicklung in den kritischen Altersstufen darin, dass hochgradig einzigartige und<br />

spezifische Neubildungen entstehen, die sich <strong>von</strong> denen der stabilen Altersstufen vor<br />

allem <strong>durch</strong> ihren Übergangscharakter unterscheiden.<br />

<strong>Die</strong> für das jeweilige Alter spezifische <strong>soziale</strong> Entwicklungssituation determiniert die<br />

Lebensweise des Kindes, bzw. sein <strong>soziale</strong>s Sein und die Veränderungen im<br />

Bewusstsein des Kindes beruhen auf dieser für das jeweilige Alter typischen Form des<br />

<strong>soziale</strong>n Seins. Der Beginn der Kindergartenzeit, der Marian stark verunsichert und ihn<br />

in einen „Koma ähnlichen“ Zustand verfallen lässt, scheint als eine derartige Krise<br />

gewertet werden zu können. Zunächst zieht er sich auf alte basale Schutzmechanismen<br />

zurück. Doch es scheint, als sei daraus ein großer Schritt in der Entwicklung der<br />

Persönlichkeit erwachsen, die Trennung zwischen dem Selbst und dem Anderen und<br />

damit ein höheres Repräsentationsniveau ist vollzogen.<br />

<strong>Die</strong> Veränderungen in der Persönlichkeit des Kindes müssen, so VYGOTSKIJ,<br />

einhergehen mit einer Veränderung der <strong>soziale</strong>n Entwicklungssituation, denn das<br />

bisherige Verhältnis zwischen dem Kind und seiner Umwelt muss mit dessen<br />

Veränderung zerbrechen. Es bildet sich also entsprechend dem neuen<br />

Entwicklungsniveau des Kindes eine neue Entwicklungssituation heraus, die wiederum<br />

Ausgangspunkt für die folgende höhere Altersstufe ist (vgl. ebda. S. 77).<br />

In dieser Phase des veränderten Verhältnisses zwischen Marian und seiner Umwelt<br />

kommt es zu massiven Veränderungen in Marians Umfeld. <strong>Die</strong> Familie zieht um und<br />

Marians Mutter beginnt eine neue Arbeit, die mit Schicht- und Wochenenddiensten<br />

verbunden ist. <strong>Die</strong>se Veränderungen lösen bei Marian scheinbar massive Ängste aus, so<br />

dass er mit erneutem „Wegtauchen“ reagiert und sich auf frühere dissoziative<br />

Bewältigungsstrategien zurückzieht. Zugunsten des grundlegenden Bedürfnisses nach<br />

Sicherheit und Angstfreiheit stellt Marian zu dieser Zeit sämtliche neu erworbenen<br />

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