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Landesentscheid 2009 33. Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft"

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Ulf Häbel<br />

Pfarrer i.R. aus Laubach-Freienseen<br />

Auf dem Land daheim – Die kulturtragende Aufgabe<br />

der Kirche im <strong>Dorf</strong><br />

Berufssoziologische Aspekte aus der Arbeit<br />

eines <strong>Dorf</strong>pfarrers<br />

Vor neunzehn Jahren bin ich mit meiner Familie aufs<br />

Land gezogen. Dort war ich mit einer halben Anstellung<br />

19 Jahre lang <strong>Dorf</strong>pfarrer, betreibe nebenher eine<br />

Selbstversorgerlandwirtschaft und beschäftige mich intensiv<br />

mit der Frage nach dem Leben auf dem Land.<br />

Wenn ich in Synoden oder anderen kirchlichen Gremien<br />

von Landleben oder der Kirche im <strong>Dorf</strong> rede, wird dies<br />

oft mit der Bemerkung “idyllisch” kommentiert. Doch<br />

mich interessiert nicht die vermeintliche Idylle des Lebens<br />

auf dem Land und auch nicht die traditionsorientierte<br />

Positionierung der Kirche im <strong>Dorf</strong>. Mich interessiert<br />

die Frage nach dem Sinn dörflicher Lebensformen und<br />

was die Kirche zur Sinngebung und Lebensdeutung beitragen<br />

kann.<br />

I. „Von Heimat redet hier keiner”<br />

Dörfer waren einmal relativ eigenständige Lebensräume.<br />

Für die Menschen, die dort arbeiteten und lebten, war<br />

das <strong>Dorf</strong> wie ein Organismus, zu dem sich die meisten<br />

innerlich zugehörig fühlten. Man war im <strong>Dorf</strong> daheim,<br />

das war der unmittelbare Lebensraum auf den sich die<br />

Menschen bezogen haben. Die Gemarkung rundherum,<br />

Feld, Wald und Flur, die Kulturlandschaft war die Lebensgrundlage.<br />

In der Land- und Forstwirtschaft mit den<br />

dazugehörenden Handwerkern fanden die meisten<br />

<strong>Dorf</strong>bewohner Arbeit und Brot. Zu dem Lebensraum<br />

<strong>Dorf</strong> gehörten ganz selbstverständlich der Kindergarten<br />

und die Volksschule dazu. Hier lernten die Kinder Sitten<br />

und Traditionen des <strong>Dorf</strong>es kennen und die Lebensformen<br />

und Überzeugungen der Menschen zu verstehen.<br />

Heimatkunde und Weltgeschichte beschrieben den Horizont,<br />

in dem die nachkommenden Generationen sich<br />

im Gefühl der Zusammengehörigkeit mit den Vorfahren<br />

begriffen. Schließlich muss man wissen, woher man<br />

kommt, um zu wissen, wer man ist.<br />

In den letzten 60 Jahren <strong>hat</strong> sich das Leben auf dem<br />

Land grundlegend gewandelt. Die relative Selbständigkeit<br />

ist einer starken Fremdbestimmung gewichen.<br />

<strong>33.</strong> <strong>Wettbewerb</strong> „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> Zukunft”<br />

Ländliche Räume sind namenloses „Umland” der Metropolen<br />

geworden. Was zur alltäglichen Lebensgestaltung<br />

und Daseinsvorsorge nötig ist, wanderte in kleinere<br />

oder größere Zentren ab, z.B. Ausbildungsplätze und<br />

bezahlte Arbeit, Läden und Arztpraxen, öffentliche Verwaltungen<br />

und Schulen. Die Menschen auf dem Land<br />

haben diese Veränderungen als Verlust ihrer selbstbestimmten<br />

Lebensformen und der ihnen vertrauten Strukturen<br />

erlebt. Sie fühlten sich als „Opfer” zentralistisch<br />

orientierter Veränderungsprozesse. An drei sogenannten<br />

Reformen will ich das deutlich machen.<br />

Mit der Landreform (Flurbereinigung) begann in den<br />

Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts die Umwandlung<br />

der kleinräumig-bäuerlichen Landwirtschaft zur<br />

heute global orientierten Agrarindustrie. „Wachsen und<br />

Weichen” ist seitdem das Motto. Bis zum heutigen Tag<br />

geben täglich ca. 50 Bauernhöfe in Deutschland wegen<br />

mangelnder Wirtschaftlichkeit auf. 1950 gab es in der<br />

(alten) Bundesrepublik Deutschland ca. 2,5 Millionen<br />

Bauernhöfe; 2008 sind es im vereinigten Deutschland<br />

knapp 500.000.<br />

Durch die Verwaltungsreform in den Sechzigerjahren<br />

verloren die Dörfer ihre politische Selbständigkeit. Aus<br />

verwaltungstechnischen Gründen wurden die Dörfer in<br />

Städte oder Großgemeinden eingegliedert. Lange Antragswege<br />

zu Behörden und oft von örtlicher Sachkenntnis<br />

ungetrübte Entscheidungen werden von den<br />

Bürgern beklagt. Der Ortsbeirat eines <strong>Dorf</strong>es darf sich<br />

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