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Landesentscheid 2009 33. Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft"

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Ulf Häbel<br />

Das Traditionsdreieck der Alt-Dörfler ist ihnen fremd, ja<br />

geradezu suspekt. Sie wollen sich auch nicht in die traditionelle<br />

<strong>Dorf</strong>gemeinschaft (Gesangverein, Feuerwehr,<br />

Schützenverein) einbringen. Für die Alt-Dörfler ist dieses<br />

starke persönliche Interesse der Neu-Dörfler bei<br />

gleichzeitig fehlender Identitätsabsicht mit dem alten<br />

<strong>Dorf</strong> befremdlich, fast beleidigend.<br />

3. Die emanzipierten Dörfler<br />

Eine dritte Gruppe, die in den letzten drei Jahrzehnten<br />

in Dörfern von sich reden machten, kann man als emanzipierte<br />

Dörfler bezeichnen. Es handelt sich oft um jüngere<br />

Menschen – besonders Frauen – die eine neue<br />

Ländlichkeit und Lust am <strong>Dorf</strong> mitbringen. Sie ziehen<br />

ähnlich wie die Neu-Dörfler aus irgendeinem, oft individuellen<br />

Grund ins <strong>Dorf</strong>. Oft sind es auch Menschen, die<br />

nach längerer Abwesenheit (z. B. Ausbildung, Beruf) in<br />

ihr Herkunftsdorf zurückkehren. Sie sind in der Regel<br />

nicht an der traditionellen, ländlichen Agrarkultur interessiert,<br />

aber am <strong>Dorf</strong> als regionalem Lebensraum. Sie<br />

suchen gemeinsame Handlungsorte im <strong>Dorf</strong>. Sie engagieren<br />

sich in Bürgerinitiativen, die z.B. zur Einrichtung<br />

von Krabbelgruppen für Kleinkinder führen. Sie bringen<br />

Ideen zur Einrichtung eines Waldkindergartens ein oder<br />

unterstützen die Wiedereröffnung von <strong>Dorf</strong>schulen,<br />

Läden oder Selbstvermarktungshöfen. Man könnte sie<br />

als Anhänger einer neuen ländlichen Bewegung bezeichnen.<br />

Ihr Bewegungsdreieck ist zwischen Bürgerinitiativen,<br />

Direktvermarktungsorten und dörflichen<br />

Kunstkneipen zu sehen. Sie haben zwar eine gebrochene<br />

und auf Zeit begrenzte Identität mit dem <strong>Dorf</strong>; ihr<br />

Interesse gilt aber der Gestaltung des gemeinsamen<br />

dörflichen Lebens. In diesem Bewusstsein, dass Treffpunkte,<br />

Kontakte und Kommunikation zwischen den<br />

Menschen sinnvoll und nötig sind, gibt es Berührungspunkte<br />

mit den Alt-Dörflern und gelegentlich Handlungskoalitionen<br />

mit ihnen.<br />

4. Die Rand-Dörfler<br />

Eine vierte Gruppe stellen Randsiedler des <strong>Dorf</strong>es, die<br />

isoliert und am Rand leben. Ob es die entwürdigend bezeichneten<br />

„<strong>Dorf</strong>deppen” sind oder zwangsweise zugewanderte<br />

Aussiedler oder Asylsuchende: Sie leben ohne<br />

innere Zugehörigkeit zum <strong>Dorf</strong>, bleiben meist Randsiedler<br />

und heimatlos. Sie finden ihr Bewegungsdreieck<br />

<strong>33.</strong> <strong>Wettbewerb</strong> „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> Zukunft”<br />

an Orten kultureller Heimatlosigkeit bzw. in cliquenbestimmten<br />

Nischen: In der Gartenhütte am Ortsrand, in<br />

ihrem eigenen Kultverein (Fanclub) und in auffallendem<br />

Konsumverhalten (Medien, Alkohol). Sie spielen für die<br />

aktive Gestaltung des dörflichen Lebens keine Rolle. Sie<br />

werden, wenn die Anzahl nicht zu groß ist, meist geduldet,<br />

aber kaum ins dörfliche Leben einbezogen. Sie verbindet<br />

eher eine negative Identität mit dem <strong>Dorf</strong>. Wenn<br />

man das dörfliche Leben im Horizont dieser vier „Kulturkreise”<br />

bzw. Verhaltensmuster begreift, wird klar, dass<br />

das <strong>Dorf</strong> ein Lebensraum sozialer Umbrüche und Spannungen<br />

ist.<br />

Eindeutige Orientierungen sind der Vielfalt und Widersprüchlichkeit<br />

gewichen. Auseinandersetzungsfähigkeit<br />

ist angesagt, die auf der Anerkennung der neuen Pluralität<br />

des <strong>Dorf</strong>es basiert. Es geht in einer nachhaltigen<br />

Entwicklung des dörflichen Lebens nicht um die Frage,<br />

welche Gruppierung sich durchsetzt, sondern um die<br />

gegenseitige Vermittlung der Lebensformen und die<br />

Vernetzung der verschiedenen kulturellen Prägungen.<br />

Im Mittelpunkt des dörflichen Lebens steht nicht eine<br />

bestimmte Prägung des Menschen, sondern der<br />

Mensch selbst, in seiner gottebenbildlichen Würde und<br />

mit seinem Recht auf die eigene und im sozialen Kontext<br />

verantwortete Lebensgestaltung. Dieser kulturvermittelnden<br />

Aufgabe sollte sich die Kirche im <strong>Dorf</strong> stellen.<br />

Denn sie ist mit ihrer biblischen Botschaft an den Menschen<br />

gewiesen, dessen Wert nicht in ökonomischer<br />

Nutzbarkeit oder einer spezifischen kulturellen Prägung<br />

liegt, sondern in seiner Gottebenbildlichkeit und Versöhnungsfähigkeit.<br />

Die Kirchengemeinde kann Forum<br />

für den vermittelnden Diskurs sein, da sie sich nicht partikularen<br />

Interessen unterwerfen muss. Pfarrerinnen und<br />

Pfarrer im <strong>Dorf</strong> sollten „Lotsen” zwischen den unterschiedlichen<br />

Kulturen sein, um verständnisverbindend<br />

und vermittelnd zu einer gemeinsamen Kultur der<br />

Menschlichkeit beizutragen.<br />

III. Lasst die Kirche im <strong>Dorf</strong> –<br />

die letzte Instanz für eine Kultur<br />

der versöhnten Gemeinschaft<br />

In einem <strong>Dorf</strong> gab es Streit zwischen zwei Vereinen um<br />

den Termin und die Gestaltung der Kirmes. Als sich<br />

keine Lösung in dem entstandenen Konflikt finden ließ,<br />

gingen ein paar Leute zum Ortspfarrer mit der Bitte:<br />

„Herr Pfarrer, Sie müssen sich da einmischen; die Kirche<br />

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