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kapitel 1 - adamas.ai

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Wenn sie die Bildschirme zum Bett hin drehte, konnte sie sich auf die Seite drehen und hatte nach links oder<br />

rechts immer ein seitenrichtiges Bild.<br />

Nebeneinander an den Nachttisch gelehnt auf ihrem Bett sitzend wussten wir beide, weshalb wir wirklich hier<br />

waren. Ich zitterte ein wenig, und die Wärme ihres Beins und ihrer Schulter an mir waren nur zu gegenwärtig;<br />

aber ich musste mich zumindest mal ins Xnet einloggen, meine M<strong>ai</strong>ls lesen und so.<br />

Eine M<strong>ai</strong>l kam von einem Jungen, der gern lustige Handy-Videos über das Amok laufende DHS verschickte. Das<br />

letzte hatte gezeigt, wie sie einen Kinderwagen zerlegten, weil ein Sprengstoffspürhund sich dafür interessiert<br />

hatte; sie hatten ihn mitten auf der Straße in der Marina mit Schraubenziehern auseinandergenommen, und man<br />

konnte sehen, wie all die reichen Leute da vorbeikamen, sich umdrehten und offensichtlich wunderten, wie<br />

bescheuert das war.<br />

Ich hatte zu dem Video verlinkt, und es war wie bekloppt runtergeladen worden. Er hatte es auf den Spiegelserver<br />

des „Internet Archive“ in Alexandria, Ägypten hochgeladen, wo sie so ziemlich alles akzeptierten, vorausgesetzt,<br />

es stand unter einer remix- und weitergabefähigen Creative-Commons-Lizenz. Das US-„Archive“ – im Presidio, nur<br />

ein paar Minuten von hier – war gezwungen worden, all diese Videos im Namen der nationalen Sicherheit vom<br />

Netz zu nehmen, aber das „Archive“ in Alexandria hatte sich als eigenständige Organisation abgespalten und hostete<br />

jetzt alles, was geeignet war, die Vereinigten Staaten zu verärgern.<br />

Dieser Junge – sein Nick war Kameraspie – hatte mir diesmal ein noch besseres Video geschickt. Es war im Eingang<br />

zur City Hall im Civic Center aufgenommen, dieser riesigen Hochzeitstorte von einem Haus, voll mit Statuen<br />

in kleinen Bogengängen, vergoldeten Blättern und Gedöns. Das DHS hatte rund um das Gebäude eine Sicherheitszone<br />

eingerichtet, und Kameraspies Video zeigte eine Ansicht ihres Checkpoints, während sich ein Typ in Offiziersuniform<br />

näherte, seinen Ausweis zeigte und seine Aktentasche auf das Röntgenband stellte.<br />

Alles war okay, bis einer der DHS-Leute auf dem Röntgenbild etwas sah, das ihm nicht gefiel. Er stellte dem General<br />

Fragen, und der rollte mit den Augen und sagte etwas Unhörbares (das Video war von der anderen Straßenseite<br />

aufgenommen, offenkundig mit einem getarnten Eigenbau-Zoom, deshalb war die Tonspur voll mit Geräuschen<br />

von vorbeieilenden Passanten und dem Straßenverkehr).<br />

Der General und die Leute vom DHS gerieten aneinander, und je länger sie diskutierten, desto mehr DHS-Typen<br />

scharten sich dazu. Schließlich schüttelte der General verärgert den Kopf, wies mit dem Finger auf die Brust des<br />

einen DHSlers, schnappte sich die Aktentasche und ging davon. Die DHS-Typen riefen ihm nach, aber er wurde<br />

nicht langsamer. Seine Körpersprache sagte überdeutlich „ich bin äußerst verärgert“.<br />

Dann geschah es. Die DHS-Typen rannten dem General hinterher. Kameraspie hatte das Video hier verlangsamt,<br />

so dass man in extremer Zeitlupe, Bild für Bild, das Gesicht des Generals sehen konnte: Wie er sich halb umdrehte<br />

mit diesem Ausdruck im Gesicht, der besagte „Ihr werdet den Teufel tun, mich zu tackeln“, und wie der Ausdruck<br />

sich in Entsetzen verwandelte, als sich drei der riesigen DHS-Wachen auf ihn stürzten, ihn zur Seite stießen<br />

und dann um die Hüfte fassten, als wäre dies das letzte Football-Tackling in seiner Karriere. Der General – schon<br />

etwas älter, mit stahlgrauem Haar, zerfurchtem und würdevollem Gesicht – ging zu Boden wie ein Sack Kartoffeln,<br />

schlug zweimal hart auf, sein Gesicht knallte auf den Bürgersteig, und Blut schoss aus seiner Nase.<br />

Das DHS verschnürte den General, fesselte ihn an Händen und Füßen. Der General brüllte jetzt, und wie er brüllte,<br />

sein Gesicht verfärbt von dem Blut, das ihm immer noch aus der Nase strömte. Beine flitzten durchs Bild. In der<br />

starken Tele-Einstellung sah man vorbeikommende Fußgänger zuschauen, wie man diesen Typ in Uniform fesselte,<br />

und seinem Gesicht war zu entnehmen, dass dies das Schlimmste von allem war – dies war rituelle Erniedrigung,<br />

der Raub seiner Würde. Hier endete der Clip.<br />

„Ach du mein süßer Buddha“, sagte ich, während der Schirm schwarz wurde und ich das Video nochmals startete.<br />

Ich stupste Ange an und zeigte ihr den Clip. Sie sagte kein Wort und betrachtete den Film mit offenem Mund.<br />

„Lad das ja hoch!“, sagte sie. „Los, hochladen hochladen hochladen hochladen hochladen!“ Ich lud ihn hoch. Ich<br />

konnte kaum tippen vor Aufregung, als ich aufschrieb, was ich hier gesehen hatte; und ich fügte eine Notiz an, ob<br />

wohl jemand den Offizier im Video identifizieren könne oder etwas über die Sache wisse.<br />

Ich drückte auf „Veröffentlichen“.<br />

Dann sahen wir uns das Video noch einmal an. Und noch einmal.<br />

Mein E-M<strong>ai</strong>l-Programm meldete sich.<br />

> Ich erkenn den Kerl ganz sicher – du findest seine Bio in der Wikipedia. Das ist General Claude Geist. Er<br />

war Kommandeur der UN-Friedenstruppen in H<strong>ai</strong>ti.<br />

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Cory Doctorow: Little Brother x

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