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Kapitel 8<br />
Dieses Kapitel ist Borders gewidmet, dem globalen Buchhandelsriesen, den man in Städten rund um die Welt finden kann – ich werde nie vergessen,<br />
wie ich einmal in den gigantischen Borders-Laden auf der Orchard Road in Singapur spaziert bin und ein Regal voll mit meinen Romanen gefunden habe!<br />
Viele Jahre lang war der Borders in Londons Oxford Street Gastgeber für Pat Cadigans monatliche Science-Fiction-Abende, bei denen ansässige und<br />
angereiste Autoren aus ihren Werken lasen, über Science Fiction sprachen und ihre Fans trafen. Wenn ich in einer fremden Stadt bin – und das passiert<br />
häufig – dann ist eigentlich immer ein Borders mit großartiger Auswahl in der Nähe.; aber ganz besonders schätze ich den Borders auf dem Union Square<br />
in San Francisco.<br />
Borders weltweit http://www.bordersstores.com/locator/locator.jsp<br />
ch war nicht der Einzige, der den Histogrammen zum Opfer fiel. Jede Menge Leute haben unnormale Bewe-<br />
Igungs- und Nutzungsmuster. Unnormal ist so verbreitet, dass es praktisch schon wieder normal ist.<br />
Das Xnet war voll von solchen Geschichten, ebenso die Zeitungen und die Fernsehnachrichten. Ehemänner wurden<br />
dabei erwischt, ihre Frauen zu betrügen; Ehefrauen wurden dabei erwischt, ihre Männer zu betrügen; und Kinder<br />
wurden mit heimlichen Freunden oder Freundinnen erwischt. Ein Junge, der seinen Eltern nichts von seiner<br />
AIDS-Erkrankung gesagt hatte, wurde dabei erwischt, in die Klinik zu fahren, wo er seine Medikamente bekam.<br />
Das also waren die Leute, die was zu verbergen hatten – nicht schuldige Menschen, sondern Menschen mit<br />
Geheimnissen. Und noch viel mehr Leute hatten überhaupt nichts zu verbergen, sondern bloß was dagegen, abgegriffen<br />
und verhört zu werden. Stell dir einfach mal vor, du wirst auf dem Rücksitz eines Polizeiautos festgehalten<br />
und hast zu beweisen, dass du kein Terrorist bist.<br />
Und es war nicht bloß der öffentliche Nahverkehr. Die meisten Autofahrer in der Bay Area haben einen FasTrak-<br />
Pass an der Sonnenblende hängen. Das ist so ne kleine Funk-„Brieftasche“, die deine Maut bezahlt, wenn du eine<br />
Brücke passierst, und dir so das lästige stundenlange Warten in der Schlange vor den Mauthäuschen erspart. Erst<br />
hatten sie die Gebühren fürs Barzahlen an den Brücken verdreifacht (was sie aber immer abstritten und behaupteten,<br />
FasTrak sei billiger, nicht etwa anonyme Barzahlung teurer). Und was dann noch an Barzahlern übrig blieb,<br />
verschwand, als sie die Barzahler-Spuren auf eine pro Brückenkopf eindampften, wodurch die Warteschlangen<br />
noch länger wurden.<br />
Egal also, ob du hier wohnst oder bloß einen Mietwagen einer örtlichen Agentur fährst – du hast immer einen Fas-<br />
Trak. Aber wie sich rausstellte, sind Mauthäuschen nicht der einzige Ort, an dem dein FasTrak gelesen wird. Das<br />
DHS hatte FasTrak-Leser in der ganzen Stadt installiert – wenn du dran vorbeifuhrst, zeichneten sie die Zeit und<br />
deine ID-Nummer auf und trugen so ein immer perfekteres Bild dessen zusammen, wer wann wohin fuhr, das in<br />
einer Datenbank landete, die zusätzlich von Ampelblitzern und Tempoüberwachungsanlagen gespeist wurde und<br />
von all den anderen Nummernschild-Erkennungskameras, die hier wie Pilze aus dem Boden schossen.<br />
Bisher hatte niemand groß darüber nachgedacht. Aber jetzt, da die Leute anfingen, darauf zu achten, bemerkten<br />
wir alle irgendwelche Kleinigkeiten, wie etwa den Umstand, dass der FasTrak keinen Ausschalter hat.<br />
Wenn du also Auto fuhrst, konntest du jederzeit von einer SFPD-Kutsche rausgewunken werden, und die fragten<br />
dich dann, warum du in letzter Zeit so häufig bei Home Depot warst oder wozu dieser mitternächtliche Trip nach<br />
Sonoma letzte Woche gut war.<br />
Die kleinen Wochenend-Demonstrationen überall in der Stadt wurden größer. Nach einer Woche dieser Überwachungsmaßnahmen<br />
marschierten fünfzigtausend Menschen über Market Street. Mir wars egal: Den Leuten, die<br />
meine Stadt eingenommen hatten, wars ja auch egal, was die Bürger wollten. Sie waren eine Besatzerarmee. Und<br />
sie wussten, wie wir darüber dachten.<br />
Eines Morgens kam ich grade rechtzeitig zum Frühstück runter, um zu hören, wie Dad Mom erzählte, dass die zwei<br />
größten Taxiunternehmen eine „Ermäßigung“ für Leute einführten, die spezielle Karten zum Bezahlen der Fahrt<br />
verwendeten, angeblich im Sicherheitsinteresse der Fahrer, die dann nicht mehr so viel Bargeld bei sich hatten.<br />
Ich fragte mich, was wohl mit den Informationen passierte, wer mit welchem Taxi wohin fuhr.<br />
Ich merkte, wie knapp es geworden war. Der neue indienet-Client war als automatisches Update verteilt worden,<br />
als die ganze Sache grade anfing, richtig übel zu werden, und Jolu erzählte, dass jetzt 80 Prozent des Datenverkehrs<br />
bei Pigspleen verschlüsselt war. Das Xnet dürfte im letzten Moment gerettet worden sein.<br />
Aber Dad machte mich langsam wahnsinnig.<br />
„Du bist ja paranoid, Marcus“, sagte er einmal beim Frühstück, als ich ihm davon erzählte, wie ich am Tag zuvor<br />
gesehen hatte, wie Polizisten ein paar Leute aus der BART pflückten.<br />
Cory Doctorow: Little Brother x