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kapitel 1 - adamas.ai

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müsse. Wir konnten den Gedanken nicht ertragen, dir das anzutun. Deinetwegen haben wir uns wieder ineinander<br />

verliebt. Und deinetwegen sind wir heute noch zusammen.“<br />

Jetzt hatte ich einen Kloß im Hals. Das hatte ich nicht gewusst. Das hatte mir nie jemand gesagt.<br />

„Für deinen Vater ist das jetzt eine schwere Zeit. Er ist nicht richtig er selbst. Es wird eine Weile dauern, bis er<br />

wieder zu uns zurückkommt; bis er wieder der Mann ist, den ich liebe. Bis dahin müssen wir versuchen, ihn zu<br />

verstehen.“<br />

Sie umarmte mich eine Weile, und ich bemerkte, wie dünn ihre Arme geworden waren und wie faltig die Haut in<br />

ihrem Nacken. Wenn ich an meine Mutter dachte, sah ich sie immer jung, blass, mit rosigen Wangen und einem<br />

strahlenden Lächeln vor mir, wie sie schlau durch ihre metallgefassten Brillengläser schaut. Jetzt sah sie aus wie<br />

eine alte Frau. Ich hatte ihr das angetan. Die Terroristen hatten ihr das angetan. Die Heimatschutzbehörde hatte<br />

ihr das angetan. Auf eine merkwürdige Weise waren wir alle auf der gleichen Seite, und Mom und Dad und all die<br />

Leute, deren Daten wir manipuliert hatten, waren auf der anderen Seite.<br />

x<br />

In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Moms Worte schwirrten durch meinen Kopf. Dad war beim Abendessen<br />

angespannt und schweigsam gewesen, und wir hatten kaum ein Wort gewechselt, weil ich Angst hatte, ein<br />

falsches Wort zu sagen, und weil er sehr erregt über die neuesten Meldungen war, nach denen Al K<strong>ai</strong>da definitiv<br />

für die Bombenanschläge verantwortlich war. Sechs verschiedene Terrorgruppen hatten Verantwortung für die<br />

Angriffe übernommen, aber nur das Internetvideo von Al K<strong>ai</strong>da enthielt Informationen, von denen das DHS sagte,<br />

man habe sie nicht öffentlich gemacht.<br />

Ich lag im Bett und hörte eine Late-Night-Anrufshow im Radio. Das Thema war Sexprobleme, mit diesem schwulen<br />

Typ, den ich normalerweise total gern hörte, weil er den Leuten ziemlich derbe, aber gute Tipps gab und sehr lustig<br />

und schwülstig war.<br />

Heute Nacht konnte ich nicht lachen. Die meisten Anrufer wollten wissen, wie sie damit umgehen sollten, dass sie<br />

seit den Attentaten mit ihren Partnern nicht mehr in die Gänge kamen. Nicht mal im Sexprogramm im Radio war<br />

ich vor diesem Thema sicher.<br />

Ich schaltete das Radio aus und hörte unten auf der Straße einen Motor schnurren.<br />

Mein Schlafzimmer ist im obersten Stock unseres Hauses, einer dieser lackierten Ladies. Ich habe ein Schrägdach<br />

und Fenster auf beiden Seiten; eins davon überblickt den gesamten Mission-Distrikt, das andere die Straße vor<br />

unserem Grundstück. Dort fuhren zu allen Nachtstunden Autos vorbei, aber dieses Motorengeräusch war irgendwie<br />

anders.<br />

Ich ging zum Straßenfenster und zog die Jalousien hoch. Auf der Straße unter mir war ein weißer, unbeschrifteter<br />

Lieferwagen, dessen Dach mit mehr Antennen verziert war, als ich jemals auf einem Auto gesehen hatte. Es fuhr<br />

sehr langsam die Straße runter, wobei sich eine kleine Schüssel obendrauf permanent drehte.<br />

Während ich zusah, hielt der Wagen an, und eine der Hecktüren klappte auf. Ein Typ in einer DHS-Uniform –<br />

die erkannte ich mittlerweile auf hundert Meter – trat auf die Straße. Er hatte irgendein mobiles Gerät in der<br />

Hand, dessen blaues Leuchten sein Gesicht erhellte. Er ging auf und ab, suchte erst bei meinen Nachbarn, machte<br />

Notizen auf seinem Gerät und kam dann in meine Richtung. Es war etwas Vertrautes in der Art, wie er ging,<br />

runterschaute …<br />

Er benutzte einen WLAN-Schnüffler! Das DHS suchte nach Xnet-Knoten. Ich ließ die Jalousien runter und flitzte<br />

quer durch den Raum zu meiner Xbox. Ich hatte sie angelassen, um ein paar coole Animationen runterzuladen,<br />

die einer der Xnetter aus der Kein-Preis-zu-hoch-Rede des Präsidenten gemacht hatte. Ich riss den Stecker aus der<br />

Dose, dann sauste ich zurück zum Fenster und öffnete die Jalousien nur einen Spalt breit.<br />

Der Typ schaute wieder auf seinen Sniffer und ging vor unserem Haus auf und ab. Einen Moment später stieg er<br />

wieder in den Lieferwagen und fuhr an.<br />

Ich holte meine Kamera raus und schoss so viele Bilder wie möglich von dem Auto und seinen Antennen. Dann<br />

öffnete ich die Fotos in dem freien Bildbearbeitungsprogramm GIMP und retuschierte aus den Bildern alles außer<br />

dem Van heraus, die ganze Straße und alles, was mich identifizieren könnte.<br />

Dann lud ich sie ins Xnet hoch und schrieb dazu alles über den Lieferwagen, was mir einfiel. Diese Typen waren<br />

definitiv auf der Suche nach dem Xnet, darauf würde ich wetten.<br />

Jetzt konnte ich wirklich nicht mehr schlafen.<br />

x Cory Doctorow: Little Brother

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