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kapitel 1 - adamas.ai

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Und damit komm ich zu Keysigning-Partys. Das ist haargenau das, was der Name sagt: eine Party, wo sich Leute<br />

treffen und die Schlüssel aller anderen signieren. Als Darryl und ich Schlüssel tauschten, war das so was wie eine<br />

Mini-Keysigning-Party, eine mit bloß zwei traurigen Geeks. Aber mit mehr Leuten dabei legst du das Fundament<br />

für ein Web of Trust, und von da an kann das Netz sich weiter ausdehnen. Und in dem Maße, wie jeder an deinem<br />

Schlüsselbund in die Welt rausgeht und mehr Leute trifft, kommen mehr und mehr Namen am Schlüsselbund<br />

zusammen. Du musst diese neuen Leute gar nicht mehr in echt treffen, du musst bloß drauf vertrauen, dass die<br />

signierten Schlüssel, die du von den Leuten in deinem Netz bekommst, gültig sind.<br />

Und deswegen passen ein Web of Trust und Partys zusammen wie Faust auf Auge.<br />

x<br />

„Sag ihnen aber, dass es eine superprivate Party ist, nur mit Einladung“, sagte ich. „Und sag ihnen, dass sie niemanden<br />

mitbringen dürfen, sonst werden sie nicht reingelassen.“<br />

Jolu schaute mich über seinen Kaffee hinweg an. „Machst du Witze? Wenn du den Leuten das sagst, dann bringen<br />

sie erst recht noch ein paar Mann extra mit.“<br />

„Mist“, sagte ich. Ich verbrachte jetzt eine Nacht pro Woche bei Jolu, um den indienet-Code auf dem neuesten<br />

Stand zu halten. Pigspleen zahlte mir sogar einen gewissen Betrag dafür, was ich irgendwie ziemlich abseitig fand.<br />

Ich hatte nie gedacht, dass ich mal dafür bezahlt würde, Code zu tippen.<br />

„Was machen wir denn dann? Wir wollen da doch nur Leute haben, denen wir total vertrauen, und wir wollen erst<br />

die Schlüssel haben und geheime Nachrichten senden können, bevor wir denen allen erklären, warum wir das so<br />

machen.“<br />

Jolu war am Debuggen, wobei ich ihm über die Schulter schaute. Das hatte man früher mal „Extremprogrammieren“<br />

genannt, aber das war ein bisschen lächerlich. Heute hieß das nur noch „Programmieren“. Zwei Leute<br />

finden einfach besser die Fehler als nur einer, wie das Klischee besagt: „Mit genug Augen werden alle Fehler<br />

unbedeutend“.<br />

Wir arbeiteten uns durch die Bug-Meldungen und machten die neue Revision startklar. Die aktualisierte sich automatisch<br />

im Hintergrund, so dass unsere Nutzer sich um überhaupt nichts kümmern mussten, sie bekamen einfach<br />

einmal pro Woche oder so ein besseres Programm. Es war ziemlich irre zu wissen, dass der Code, den ich schrieb,<br />

gleich morgen von Hunderttausenden Leuten benutzt wurde!<br />

„Tja, was machen wir? Mann, ich weiß nicht. Schätze mal, wir müssen einfach damit leben.“ Ich dachte zurück an<br />

unsere Tage mit Harajuku Fun Madness. Zu dem Spiel hatten auch Berge von sozialen Herausforderungen gehört,<br />

bei denen man es mit großen Menschengruppen zu tun hatte.<br />

„Okay, du hast Recht. Aber lass uns zumindest versuchen, die Sache geheim zu halten. Sagen wir ihnen, sie dürfen<br />

höchstens eine andere Person mitbringen, und das muss jemand sein, den sie schon seit mindestens fünf Jahren<br />

persönlich kennen.“<br />

Jolu sah vom Bildschirm hoch. „Hey“, sagte er. „Hey, das wird garantiert klappen. Ich seh das schon. Ich meine,<br />

wenn du mir sagst, ich soll niemanden mitbringen, dann denk ich doch ‚was glaubt der, wer er ist?‘ Aber so rum<br />

klingt das wie irgendwas tolles 007-Mäßiges.“<br />

Ich fand einen Fehler. Wir tranken Kaffee. Ich ging heim, spielte ein bisschen Clockwork Plunder, wobei ich versuchte,<br />

nicht an Aufzieher mit neugierigen Fragen zu denken, und schlief dann wie ein Baby.<br />

x<br />

Sutro Baths sind San Franciscos original falsche Römerruinen. Bei der Eröffnung 1896 waren sie die größte<br />

Schwimmhalle der Welt, ein riesiges Viktorianisches Glassolarium, voll mit Pools, Wannen und sogar einer frühen<br />

Wasserrutsche. In den Fünfzigern gings bergab, und die Besitzer fackelten sie 1966 für die Versicherungssumme<br />

ab. Was davon übrig blieb, ist ein Labyrinth verwitterter Steine inmitten der vertrockneten Klippenlandschaft von<br />

Ocean Beach. Es sieht für die ganze Welt wie eine römische Ruine aus, verfallen und geheimnisvoll, und direkt<br />

unterhalb gibt es noch ein paar Höhlen, die zum Meer führen. Bei stürmischer See rauschen die Wellen durch<br />

die Höhlen und überspülen die Ruinen – man weiß sogar von dem einen oder anderen Touristen, der mitgerissen<br />

wurde und ertrank.<br />

Ocean Beach ist weit draußen hinter Golden Gate Park, eine kahle Klippe, gesäumt von teuren, aber dem Untergang<br />

geweihten Häusern, die zu einem schmalen Streifen Strand hin abfällt, wo man Quallen und mutige (wahnsinnige)<br />

Surfer antrifft. Es gibt da einen riesigen weißen Felsen, der sich kurz vor der Küste aus dem seichten<br />

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Cory Doctorow: Little Brother x

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