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kapitel 1 - adamas.ai

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Sie blickte bedeutungsvoll auf meine Tastatur. Ich konnte sehen, dass ihr Tränen die Wangen herabliefen. „Nein!<br />

Du bist wohl nicht bei Trost. Glaubst du wirklich, ich würde mit irgendeiner durchgeknallten Internet-Tante wegrennen?<br />

Mit einer Spionin?“<br />

„Hast du ne bessere Idee?“<br />

Ich kickte einen ihrer Wäschestapel in die Gegend. „Meinetwegen. Na supi. Ich werde noch mal mit ihr reden.“<br />

„Rede mit ihr“, sagte Ange. „Schreib ihr, dass du mit deiner Freundin verschwinden willst.“<br />

„Was?“<br />

„Halt die Klappe, du Depp. Du denkst, du bist in Gefahr? Ja, aber ich doch genauso, Marcus. Mitgefangen, mitgehangen.<br />

Wenn du gehst, gehe ich mit.“<br />

Wir setzten uns zusammen schweigend aufs Bett.<br />

„Es sei denn, du willst mich nicht“, sagte sie schließlich mit kläglicher Stimme.<br />

„Machst du Witze?“<br />

„Seh ich so aus, als würde ich Witze machen?“<br />

„Ohne dich würde ich für kein Geld der Welt freiwillig gehen, Ange. Ich hätte es nie gewagt, dich zu fragen; aber<br />

du glaubst nicht, was es mir bedeutet, dass du es anbietest.“<br />

Sie lächelte und schubste mir meine Tastatur rüber.<br />

„M<strong>ai</strong>l dieser Masha-Kröte. Mal schauen, was die Braut für uns tun kann.“<br />

x<br />

Ich m<strong>ai</strong>lte ihr, verschlüsselte die Nachricht und wartete auf ihre Antwort. Ange tätschelte mich ein wenig, ich<br />

küsste sie und wir knutschten ein bisschen. Das Wissen um die Gefahr und unsere Verabredung, zusammen zu<br />

verschwinden – all das ließ mich die Peinlichkeiten am Sex vergessen und machte mich spitz wie Hölle.<br />

Wir waren wieder halb nackt, als Mashas M<strong>ai</strong>l eintrudelte.<br />

> Ihr seid zu zweit? Oh Gott, als ob es nicht schon schwierig genug wäre.<br />

> Ich kann mich nicht los machen, außer für ein bisschen Feindaufklärung nach einem großen Xnet-Event.<br />

Verstanden? Meine Hintermänner beobachten mich auf Schritt und Tritt, aber sie lassen mich von der<br />

Leine, wenn irgendwas Großes mit Xnettern passiert. Dann werde ich vor Ort eingesetzt.<br />

> Also müsst ihr was Großes anleiern. Da werde ich hingeschickt, und dann hole ich uns beide raus. Uns<br />

drei meinetwegen.<br />

> Aber mach schnell, ja? Ich kann dir nicht oft m<strong>ai</strong>len, kapiert? Die beobachten mich. Und sie kommen dir<br />

immer näher. Du hast nicht mehr viel Zeit. Wochen? Vielleicht nur noch Tage.<br />

> Ich brauch dich, um selbst rauszukommen. Deshalb tu ich das alles, nur falls du dich wunderst. Ich<br />

kann nicht auf eigene Faust verschwinden. Ich brauch ne fette Xnet-Blendgranate. Das ist dein Job.<br />

Lass mich nicht im Stich, M1k3y, oder wir sind beide tot. Und deine Freundin auch.<br />

> Masha<br />

Das Klingeln meines Telefons ließ uns beide hochschrecken. Es war meine Mom, die wissen wollte, wann ich<br />

heimkommen würde. Ich sagte ihr, ich sei schon unterwegs. Sie erwähnte Barbara mit keinem Wort – wir hatten<br />

vereinbart, nichts davon am Telefon zu erwähnen. Das war die Idee meines Dads gewesen. Der konnte genauso<br />

paranoid sein wie ich.<br />

„Ich muss jetzt los“, sagte ich.<br />

„Unsere Eltern werden …“<br />

„Ich weiß. Ich hab doch gesehen, was mit meinen Eltern los war, als sie dachten, ich sei tot. Und wenn sie wissen,<br />

dass ich ein Flüchtling bin, wird das nicht viel besser sein. Aber lieber ein Flüchtling als ein Gefangener. So seh ich<br />

das. Und überhaupt: Sobald wir weg sind, kann Barbara alles veröffentlichen, ohne uns damit in zusätzliche Gefahr<br />

zu bringen.“<br />

Wir küssten uns an ihrer Zimmertür. Nicht eine dieser heißen, lässigen Nummern wie sonst, wenn wir uns verabschiedeten.<br />

Ein süßer Kuss diesmal. Ein langsamer Kuss. Ein Lebewohl-Kuss.<br />

Cory Doctorow: Little Brother x

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