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kapitel 1 - adamas.ai

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Das war die erste Zeile meines ersten Blog-Eintrags auf Open Revolt, meiner Xnet-Site. Ich schrieb als M1k3y, und<br />

ich war bereit, in den Krieg zu ziehen.<br />

> Mag ja sein, all diese automatische Durchleuchtung ist wirklich dafür gedacht, Terroristen zu fangen.<br />

Und es mag sogar sein, sie fangen damit früher oder später tatsächlich einen Terroristen. Das Problem<br />

ist bloß, es fängt uns alle auch, obwohl wir überhaupt nichts Falsches tun.<br />

> Je mehr Leute sie damit fangen, desto fragwürdiger wird das System. Wenn es zu viele Leute fängt,<br />

dann ist das sein Tod.<br />

> Ist die Sache klar?<br />

Dann kopierte ich meine Anleitung zum Bau eines RFID-Kloners rein, dazu ein paar Tips, wie man nah genug an<br />

Leute rankommt, um ihre Marker zu lesen und überschreiben zu können. Meinen eigenen Kloner steckte ich in<br />

die Tasche meiner Original-Motocross-Jacke aus schwarzem Leder mit den verstärkten Taschen und ging dann zur<br />

Schule. Zwischen daheim und Chavez High schaffte ich es, sechs Marker zu klonen.<br />

Sie wollten Krieg. Sie würden Krieg bekommen.<br />

x<br />

Wenn du jemals auf die Schnapsidee kommen solltest, einen automatischen Terrordetektor zu bauen, dann solltest<br />

du erst mal eine bestimmte Mathematik-Lektion lernen. Sie heißt „Paradoxon vom Falsch-Positiven“, und sie ist ein<br />

Prachtstück.<br />

Nimm an, es gibt diese neue Krankheit, sagen wir, Super-AIDS. Nur einer von einer Million Menschen bekommt<br />

Super-AIDS. Du entwickelst einen Test, der eine Genauigkeit von 99 Prozent hat. Damit meine ich, er liefert in 99<br />

Prozent der Fälle das korrekte Ergebnis: „ja“, wenn der Proband infiziert ist, und „nein“, wenn er gesund ist. Dann<br />

testest du damit eine Million Leute.<br />

Einer von einer Million Leuten hat Super-AIDS. Und einer von hundert Leuten, die du testest, wird ein „falsch-positives“<br />

Ergebnis generieren – der Test wird ergeben, dass der Proband Super-AIDS hat, obwohl er es in Wahrheit<br />

nicht hat. Das nämlich bedeutet „99 Prozent genau“: ein Prozent falsch.<br />

Was ist ein Prozent von einer Million?<br />

1.000.000/100 = 10.000<br />

Einer von einer Million Menschen hat Super-AIDS. Wenn du wahllos eine Million Leute testest, wirst du wahrscheinlich<br />

einen echten Fall von Super-AIDS ausfindig machen. Aber dein Test wird nicht genau eine Person als<br />

Träger von Super-AIDS identifizieren. Sondern zehntausend Leute.<br />

Dein zu 99 Prozent genauer Test arbeitet also mit einer Ungenauigkeit von 99,99 Prozent.<br />

Das ist das Paradoxon vom Falsch-Positiven. Wenn du etwas wirklich Seltenes finden willst, dann muss die Genauigkeit<br />

deines Tests zu der Seltenheit dessen passen, was du suchst. Wenn du auf einen einzelnen Pixel auf deinem<br />

Bildschirm zeigen willst, dann ist ein spitzer Bleistift ein guter Zeiger: Die Spitze ist viel kleiner (viel genauer) als<br />

die Pixel. Aber die Bleistiftspitze taugt nichts, wenn du auf ein einzelnes Atom in deinem Bildschirm zeigen willst.<br />

Dafür brauchst du einen Zeiger – einen Test –, der an der Spitze nur ein Atom groß oder kleiner ist.<br />

Das ist das Paradoxon vom Falsch-Positiven, und mit Terrorismus hängt es wie folgt zusammen: Terroristen sind<br />

wirklich selten. In einer 20-Millionen-Stadt wie New York gibt es vielleicht einen oder zwei Terroristen. Vielleicht<br />

zehn, allerhöchstens. 10/20.000.000 = 0.00005 Prozent. Ein zwanzigtausendstel Prozent.<br />

Das ist wirklich verdammt selten. Und jetzt denk dir eine Software, die alle Bankdaten, Mautdaten, Nahverkehrs-<br />

Daten oder Telefondaten der Stadt durchgrasen kann und mit 99-prozentiger Genauigkeit Terroristen erwischt.<br />

In einer Masse von 20 Millionen Leuten wird ein 99 Prozent genauer Test zweihunderttausend Menschen als Terroristen<br />

identifizieren. Aber nur zehn davon sind wirklich Terroristen. Um zehn Schurken zu schnappen, muss<br />

man also zweihunderttausend Unschuldige rauspicken und unter die Lupe nehmen.<br />

Jetzt kommts: Terrorismus-Tests sind nicht mal annähernd 99 Prozent genau. Eher so was wie 60 Prozent. Manchmal<br />

sogar nur 40 Prozent genau.<br />

Und all das bedeutete, dass die Heimatschutzbehörde zum Scheitern verdammt war. Sie versuchte, unglaublich<br />

seltene Ereignisse – eine Person ist ein Terrorist – mit unpräzisen Systemen zu erkennen.<br />

Kein Wunder, dass wir es schafften, so ein Chaos zu verbreiten.<br />

x Cory Doctorow: Little Brother

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