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kapitel 1 - adamas.ai

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Sie begannen die Plaza zu füllen. Einige der Geschäftsleute warfen ihnen kurze Blicke zu und wandten sich dann<br />

wieder ab; wollten wohl diese Irren nicht in ihre persönliche Realität eindringen lassen, in der es nur darum<br />

ging, durch welchen Mist sie sich in den kommenden acht Stunden wieder zu wühlen hatten. Die Vamps stromerten<br />

rum, unsicher, wann das Spiel losgehen würde. Sie sammelten sich in großen Gruppen, wie ein umgekehrter<br />

Ölteppich, alles Schwarz sammelte sich an einem Fleck. Viele von ihnen trugen altmodische Hüte, Melonen,<br />

Museumsstücke. Und viele der Mädchen hatten sich mit grausig-eleganten Lolitakostümen und enormen<br />

Plateausohlen aufgebrezelt.<br />

Ich versuchte ihre Zahl zu schätzen. 200. Fünf Minuten später waren wir bei 300, 400. Und es kamen immer noch<br />

welche. Die Vampire hatten Freunde mitgebracht.<br />

Jemand packte mich am Po. Ich wirbelte herum und sah Ange, die sich vor Lachen schüttelte.<br />

„Sieh dir das an, Mann, sieh dir die alle an!“, staunte sie. Der Platz war jetzt doppelt so bevölkert wie noch vor<br />

wenigen Minuten. Ich wusste nicht, wie viele Xnetter es insgesamt gab, aber mindestens 1000 von ihnen waren<br />

gerade bei meiner kleinen Party erschienen. Allmächtiger.<br />

Die DHS- und SFPD-Bullen setzten sich in Bewegung, sprachen in ihre Funkgeräte und gruppierten sich. Ich hörte<br />

von fern eine Sirene.<br />

„Na gut“, sagte ich und schüttelte Ange am Arm. „Okay, los gehts.“ Wir verschwanden beide in der Menge, und<br />

sobald wir unseren ersten Vamp trafen, sagten wir beide laut „Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!“ Mein Opfer<br />

war ein fassungsloses, süßes Mädchen, das sich Spinnweben auf die Arme gemalt hatte und dem das Mascara<br />

bereits die Wangen herablief. Sie sagte „Mist“ und zog sich zurück, als sie erkannte, dass ich sie erwischt hatte.<br />

Der Ruf „Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!“ hatte die Vampire in der Nähe in Bewegung versetzt. Einige stürzten<br />

sich gleich auf die anderen, andere suchten nach Deckung. Für diese Minute hatte ich mein Opfer, deshalb<br />

schlich ich mich davon, Irdische als Deckung benutzend. Überall um mich herum nun „Beißen Beißen Beißen Beißen<br />

Beißen!“, Rufe, Gelächter, Flüche.<br />

Das Geräusch verbreitete sich wie ein Virus in der Menge. Alle Vampire wussten jetzt, dass das Spiel im Gange<br />

war, und die, die sich zu Grüppchen versammelt hatten, fielen jetzt wie die Fliegen. Sie lachten, schimpften und<br />

wechselten ihren Standort, um Neuankömmlingen mitzuteilen, dass das Spiel lief. Und neue Vamps kamen immer<br />

noch sekündlich dazu.<br />

8:16. Es war Zeit für mich, wieder einen zu erwischen. Ich duckte mich und wuselte zwischen den Beinen der<br />

Normalos durch, die unterwegs zu den Treppen zur BART waren. Sie schreckten erstaunt zurück und versuchten<br />

mir auszuweichen. Meine Blicke waren völlig fixiert auf ein Paar schwarzer Plateaustiefel mit stählernen Drachen<br />

auf den Zehenkappen, deshalb war ich nicht drauf vorbereitet, einem anderen Vampir plötzlich Auge in Auge<br />

gegenüberzustehen – einem Typen von vielleicht 15 oder 16 Jahren, der das Haar glatt zurückgegelt hatte und eine<br />

Marilyn-Manson-PVC-Jacke trug, dazu Halsketten mit falschen Stoßzähnen, in die komplizierte Symbole eingraviert<br />

waren.<br />

„Beißen Beißen Beißen …“, begann er, als einer der Irdischen über ihn stolperte und sie sich beide langmachten.<br />

Ich sprang rüber zu ihm und rief „Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!“, bevor er sich wieder losmachen<br />

konnte.<br />

Immer mehr Vampire kamen dazu. Die Anzüge wurden allmählich echt nervös. Das Spiel schwappte nun über den<br />

Bürgersteig in Van Ness rein und breitete sich Richtung Market Street aus. Autofahrer hupten, und die Straßenbahnen<br />

ließen wütendes Klingeln vernehmen. Ich hörte weitere Sirenen, aber mittlerweile war der Verkehr in alle<br />

Richtungen zum Erliegen gekommen.<br />

Es war verdammt glorreich.<br />

Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!<br />

Der Ruf kam jetzt von überall her. Es waren so viele Vampire, und sie spielten so leidenschaftlich, dass es ein<br />

monströses Getöse war. Ich riskierte es, aufzustehen und mich umzuschauen, und erkannte, dass ich mich mitten<br />

in einer gewaltigen Menge von Vamps befand, die sich in alle Richtungen erstreckte, so weit mein Blick reichte.<br />

Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!<br />

Das hier war sogar noch besser als das Konzert in Dolores Park. Dort war es wütendes Rocken gewesen, aber hier<br />

– nun, hier war es einfach nur Spaß. Es war wie wieder auf den Spielplatz gehen, wie diese ausufernden Abklat-<br />

Cory Doctorow: Little Brother x

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