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kapitel 1 - adamas.ai

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Aber jetzt habe ich Beweise. Dieses Zeug hier – das könnte die Welt ändern. Und es ist meine letzte Hoffnung. Die<br />

einzige Hoffnung, Darryl rauszuhauen und mein Leben nicht ewig im Untergrund, auf der Flucht vor den Bullen<br />

fristen zu müssen. Und du bist der einzige Mensch, dem ich es anvertrauen kann, das zu erledigen.“<br />

„Warum ich?“<br />

„Machst du Witze? Guck mal, wie gut du es gemacht hast, hierher zu kommen. Du bist ein Profi. Du bist von uns<br />

allen die Beste in so was. Und du bist die Einzige, der ich trauen kann. Darum du.“<br />

„Und warum nicht deine Freundin Angie?“ Sie sagte den Namen ohne jegliche Betonung, als sei er ein Block<br />

Zement.<br />

Ich schaute zu Boden. „Ich dachte, du wüsstest es. Sie haben sie verhaftet. Sie ist in Gitmo – auf Treasure Island.<br />

Schon seit Tagen.“ Ich hatte versucht, nicht daran zu denken, nicht darüber nachzugrübeln, was mit ihr geschehen<br />

könnte. Doch nun konnte ich das Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Ich spürte einen Schmerz im Magen,<br />

als ob ich einen Tritt bekommen hätte, und presste mir die Hände auf den Bauch, um mich zusammenzunehmen.<br />

Dann klappte ich zusammen, und das Nächste, was ich merkte, war, wie ich im Schutt unter dem Freeway lag,<br />

zusammengekrümmt und heulend.<br />

Van kniete sich neben mich. „Gib mir das Handy“, sagte sie, ihre Stimme ein wütendes Zischen. Ich kramte es aus<br />

meiner Tasche und gab es ihr.<br />

Beschämt hörte ich auf zu weinen und rappelte mich hoch. Ich spürte, dass mir Schnodder übers Gesicht lief. Van<br />

betrachtete mich mit einem Ausdruck des reinsten Ekels.<br />

„Du musst drauf achten, dass es nicht auf Standby geht“, sagte ich. „Hier ist ein Ladegerät.“<br />

Ich wühlte in der Tasche. In der Nacht, seit ich es gekauft hatte, hatte ich nicht viel geschlafen. Ich hatte den<br />

Timer des Handys auf 90 Minuten gestellt, damit es mich so rechtzeitig weckte, dass ich es vom „Schlafen“ abhalten<br />

konnte. „Klapp es bitte auch nicht zu.“<br />

„Und das Video?“<br />

„Das ist schwieriger“, erwiderte ich. „Ich hab mir selbst eine Kopie gem<strong>ai</strong>lt, aber ich komm nicht mehr ins Xnet.“<br />

Im Notfall hätte ich noch mal zu Nate und Liam zurückgehen und ihre Xbox benutzen können, aber das wollte ich<br />

nicht riskieren. „Pass auf, ich geb dir mein Login und das Passwort für den M<strong>ai</strong>lserver der Piratenpartei. Du musst<br />

aber Tor benutzen, um ihn aufzurufen – der Heimatschutz achtet garantiert auf Leute, die sich bei P-Partei-M<strong>ai</strong>l<br />

einloggen.“<br />

„Dein Login und Passwort“, sagte sie mit Erstaunen im Blick.<br />

„Ich vertraue dir, Van. Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann.“<br />

Sie schüttelte den Kopf. „Du gibst deine Passwörter nie raus, Marcus.“<br />

„Ich glaube, darauf kommts jetzt auch nicht mehr an. Entweder du hast Erfolg, oder – oder es ist das Ende von<br />

Marcus Yallow. Vielleicht bekomme ich ja eine neue Identität, aber ich glaubs eher nicht. Ich schätze, die werden<br />

mich kriegen. Wahrscheinlich habe ichs die ganze Zeit schon gewusst, dass sie mich irgendwann kriegen<br />

werden.“<br />

Jetzt sah sie mich mit blanker Wut an. „Was für eine Vergeudung. Und wozu war das Ganze jetzt gut?“<br />

Sie hätte nichts sagen können, das mich mehr verletzt hätte. Dieser Satz war wie ein weiterer Tritt in den Unterleib.<br />

Was für eine Vergeudung das alles, völlig vergebens. Darryl und Ange waren verschwunden. Meine Familie<br />

würde ich vielleicht nie wieder sehen. Und immer noch hielt der Heimatschutz meine Stadt und mein Land in<br />

einem gewaltigen, irrationalen Klammergriff gefangen, wo im Namen der Terrorabwehr ausnahmslos alles erlaubt<br />

war.<br />

Van sah aus, als erwarte sie eine Antwort von mir, aber dazu hatte ich nichts mehr zu sagen. Sie ließ mich dort<br />

stehen.<br />

x<br />

Zeb hatte eine Pizza für mich, als ich „heim“ kam – zu dem Zelt, das er für die Nacht unter einer Freeway-Überführung<br />

in der Mission aufgestellt hatte. Es war eine Dackelgarage aus Militärbeständen, bedruckt mit SAN FRAN-<br />

CISCO ÖRTLICHE OBDACHLOSEN-KOORDINATION.<br />

Die Pizza war von Domino’s, kalt und labberig, aber nichtsdestotrotz lecker. „Magst du Ananas auf deiner Pizza?“<br />

x Cory Doctorow: Little Brother

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