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kapitel 1 - adamas.ai

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Die Tür schwang auf, und vier riesige Wärter stürmten raus. Zwei schnappten mich und zwei Vanessa. Sie zwangen<br />

mich zu Boden und drehten meinen Kopf von Vanessa weg, doch ich konnte hören, wie man mit ihr das<br />

gleiche machte. Plastikhandschnellen schnappten um meine Handgelenke zu, dann wurde ich auf die Füße gezerrt<br />

und in meine Zelle zurückgebracht.<br />

An diesem Abend gab es kein Essen. Am nächsten Morgen gab es kein Frühstück. Niemand kam und brachte<br />

mich zum Befragungsraum, um weitere Geheimnisse aus mir rauszupressen. Die Plastikhandschellen bleiben dran,<br />

meine Schultern brannten, schmerzten, wurden taub, brannten wieder. In den Händen hatte ich überhaupt kein<br />

Gefühl mehr.<br />

Ich musste mal pinkeln. Aber ich konnte die Hose nicht aufmachen. Ich musste richtig, richtig dringend pissen.<br />

Ich machte mir in die Hose.<br />

Danach kamen sie, um mich zu holen; als die warme Pisse kalt und klamm geworden war und meine sowieso<br />

schon dreckige Jeans an meinen Beinen klebte. Sie holten mich und brachten mich den langen Gang mit den vielen<br />

Türen runter, jede Tür ihr eigener Barcode, jeder Barcode ein Gefangener wie ich. Sie brachten mich den Gang<br />

runter und ins Befragungszimmer, und es war, als käme ich auf einen anderen Planeten, einen Ort, wo Dinge normal<br />

liefen, wo nicht alles nach Urin roch. Ich fühlte mich so dreckig und beschämt, und all die Gefühle, dass ich<br />

vielleicht doch verdient hätte, was mit mir geschah, kamen wieder hoch.<br />

Frau Strenger Haarschnitt saß bereits. Sie sah perfekt aus: frisiert und nur ein Hauch Make-up. Ich roch das Zeug,<br />

das sie in den Haaren hatte, und sie rümpfte die Nase über mich. Ich fühlte Scham in mir aufsteigen.<br />

„Na, du warst ein sehr ungezogener Junge, nicht wahr? Uhh, was bist du nur für ein schmuddeliger Kerl.“<br />

Ich blickte beschämt zum Tisch. Hochzuschauen ertrug ich nicht. Ich wollte ihr mein E-M<strong>ai</strong>l-Passwort verraten<br />

und dann nix wie raus hier.<br />

„Worüber hast du dich mit deiner Freundin im Hof unterhalten?“<br />

Ich lachte kurz in Richtung Tisch. „Ich hab ihr gesagt, sie soll die Fragen beantworten. Dass sie kooperieren soll.“<br />

„Ach, du gibst hier also die Befehle?“<br />

Das Blut pulsierte in meinen Ohren. „Ach Quatsch“, sagte ich, „wir spielen da dieses Spiel, Harajuku Fun Madness.<br />

Ich bin der Teamchef. Wir sind keine Terroristen, wir sind bloß Schüler. Ich geb ihr keine Befehle, ich hab ihr<br />

bloß gesagt, dass wir ehrlich zu Ihnen sein müssen, damit wir jeden Verdacht ausräumen können und wieder hier<br />

wegkommen.“<br />

Für einen Moment sagte sie nichts.<br />

„Wie gehts Darryl?“, fragte ich.<br />

„Wem?“<br />

„Darryl. Sie haben uns zusammen aufgelesen. Mein Freund. Irgendjemand hat ihm in der Station Powell Street<br />

einen Messerstich verpasst. Deshalb waren wir ja bloß oben. Um Hilfe für ihn zu holen.“<br />

„Na, dann bin ich sicher, ihm gehts gut“, sagte sie.<br />

Mein Magen verkrampfte sich, fast musste ich würgen. „Sie wissen es nicht? Sie haben ihn nicht hier?“<br />

„Wen wir hier haben und wen nicht, das besprechen wir ganz sicher nicht mit dir, niemals. Das geht dich überhaupt<br />

nichts an. Marcus, du hast gesehen, was passiert, wenn du nicht mit uns kooperierst. Und du hast gesehen,<br />

was passiert, wenn du unsere Anweisungen missachtest. Du warst ein bisschen kooperativ, und damit hast dus bis<br />

fast dahin gebracht, dass wir dich wieder freilassen. Wenn du möchtest, dass diese Möglichkeit Realität wird, dann<br />

bleib einfach dabei, meine Fragen zu beantworten.“<br />

Ich sagte nichts.<br />

„Du lernst. Das ist gut. Jetzt bitte deine E-M<strong>ai</strong>l-Passwörter.“<br />

Ich war drauf vorbereitet. Ich gab ihnen alles: Server-Adresse, Login, Passwort. Das war eh egal. Auf meinem Server<br />

speicherte ich keine E-M<strong>ai</strong>ls. Ich lud sie alle runter und speicherte sie auf dem Laptop daheim, und der saugte<br />

und löschte die M<strong>ai</strong>ls auf meinem Server im 60-Sekunden-Takt. Aus meinen M<strong>ai</strong>ls würden sie nichts erfahren – auf<br />

dem Server war nichts mehr, alles nur auf dem Laptop daheim.<br />

Dann zurück in die Zelle; aber sie machten meine Hände frei, ließen mich duschen und gaben mir eine orangefarbene<br />

Gefängnishose anzuziehen. Die war mir zu groß und hing mir über die Hüften wie bei einem mexika-<br />

x Cory Doctorow: Little Brother

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