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kapitel 1 - adamas.ai

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ungeschoren hier rauskommen würden. In diesem Moment hätte ich losgehen mögen, um ihr einen riesigen Blumenstrauß<br />

zu kaufen.<br />

„Marcus hier hat es abgelehnt, uns zu erklären, wie sein Fahrtenprofil zustande gekommen ist.“<br />

„Sie sagen also, sie halten meinen Sohn wegen seiner Art, Bus zu fahren, für einen Terroristen?“<br />

„Terroristen sind nicht die einzigen Verbrecher, die wir auf diese Weise fangen“, sagte Pickel. „Drogenhändler.<br />

Gang-Kids. Oder auch Ladendiebe, die clever genug sind, sich für jeden Beutezug ein anderes Revier zu suchen.“<br />

„Sie denken also, mein Sohn sei ein Drogenhändler?“<br />

„Wir sagen nicht, dass –“, fing Pickel an.<br />

Mit einem Händeklatschen brachte Mom ihn zum Schweigen.<br />

„Marcus, gib mir bitte mal deinen Rucksack.“<br />

Das tat ich.<br />

Mom zippte ihn auf und schaute ihn durch, zunächst mit dem Rücken zu uns.<br />

„Meine Herren, ich kann Ihnen nun versichern, dass sich in der Tasche meines Sohnes weder Drogen noch Sprengstoffe<br />

oder gestohlene Waren befinden. Ich denke, damit wäre das erledigt. Bevor Sie gehen, darf ich noch um Ihre<br />

Personalnummern bitten.“<br />

Popel lachte höhnisch. „Gute Frau, die ACLU hat gerade Klagen gegen dreihundert Polizisten der Stadt laufen; da<br />

werden Sie sich hinten anstellen müssen.“<br />

x<br />

Mom machte mir einen Tee und schimpfte dann mit mir, weil ich schon gegessen hatte, obwohl ich wusste, dass<br />

sie Falafel gemacht hatte. Dad kam heim, während wir noch am Tisch saßen, und Mom und ich erzählten ihm<br />

abwechselnd die Geschichte. Er schüttelte den Kopf.<br />

„Lillian, die haben doch nur ihren Job gemacht.“ Er trug immer noch den blauen Blazer und die Khakis, die er an<br />

den Tagen trug, an denen er als Berater im Silicon Valley war. „Die Welt ist nicht mehr dieselbe wie noch vor einer<br />

Woche.“<br />

„Mom setzte ihren Teebecher ab. „Drew, werd nicht albern. Dein Sohn ist kein Terrorist. Seine Fahrten im Nahverkehr<br />

können kein Grund für polizeiliche Ermittlungen sein.“<br />

Dad zog seinen Blazer aus. „In meinem Job machen wir das ständig. So kann man Computer dazu einsetzen, alle<br />

Arten von Fehlern und Unregelmäßigkeiten zu entdecken. Du sagst dem Computer, er soll ein Profil eines durchschnittlichen<br />

Datenbankeintrags erstellen und dann rausfinden, welche Einträge in der Datenbank am stärksten<br />

vom Durchschnitt abweichen. Das gehört zur Bayesschen Statistik, und das gibt’s schon seit Jahrhunderten. Ohne<br />

so was hätten wir keine Spamfilter –“<br />

„Soll das heißen, die Polizei sollte genauso schlecht arbeiten wie mein Spamfilter?“, fragte ich.<br />

Dad wurde nie wütend, wenn ich mit ihm diskutierte, aber ich konnte sehen, dass er heute sehr kurz davor war.<br />

Trotzdem konnte ichs mir nicht verkneifen. Mein Vater stellte sich auf die Seite der Polizei!<br />

„Ich sage nur, es ist völlig vernünftig, dass die Polizei ihre Untersuchungen damit anfängt, Daten durchzugrasen,<br />

und erst dann mit der Lauferei anfängt, wenn sie Abnormalitäten haben, um herauszufinden, wo die herkommen.<br />

Ich denke nicht, dass ein Computer der Polizei vorgeben sollte, wen sie verhaften soll, aber er kann ihnen dabei<br />

helfen, den Heuhaufen nach der Nadel zu durchflöhen.“<br />

„Aber indem sie all diese Daten aus dem Verkehrssystem abgreifen, erzeugen sie doch überhaupt erst den Heuhaufen“,<br />

sagte ich. „Das ist ein monströser Datenberg, und es ist aus Polizeisicht fast nichts drin, was eine Untersuchung<br />

rechtfertigt. Das ist die totale Verschwendung.“<br />

„Ich versteh ja, dass du das System nicht magst, weil es dir Unbequemlichkeiten verursacht hat, Marcus. Aber du<br />

zuallererst solltest den Ernst der Lage begreifen. Und es ist dir doch nichts passiert, oder doch? Sie haben dich<br />

doch sogar nach Hause gefahren.“<br />

Sie haben gedroht, mich in den Knast zu stecken, dachte ich, aber mir war klar, dass es keinen Zweck hatte,<br />

das auszusprechen.<br />

„Und übrigens hast du uns immer noch nicht erklärt, wo zum Teufel du eigentlich warst, um ein so ungewöhnliches<br />

Bewegungsmuster zu erzeugen.“<br />

Cory Doctorow: Little Brother x

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