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kapitel 1 - adamas.ai

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Kumpels oder von Kumpeln meiner Kumpels. Wir sollten alle ein Team sein. Am Ende dieser Nacht waren wirs. Es<br />

waren alles gute Leute.<br />

Als alle fertig waren, ging Jolu, um einen Schlüssel zu erzeugen, und drehte sich dann mit einem unbeholfenen<br />

Lächeln von mir weg. Mein Ärger über ihn war inzwischen verraucht. Er tat, was er tun musste. Und ich wusste,<br />

dass er, was immer er jetzt auch sagte, immer für mich da sein würde. Und wir waren zusammen im DHS-Knast<br />

gewesen. Van auch. Das würde uns für immer zusammenschweißen, komme was da wolle.<br />

Ich erzeugte meinen Schlüssel und drehte dann die Runde durch die Gang, um jeden ein Foto machen zu lassen.<br />

Dann kletterte ich wieder auf den erhöhten Fleck von vorhin und bat alle um Aufmerksamkeit.<br />

„Also, ne Menge von euch haben mitbekommen, dass die ganze Nummer einen Riesenhaken hat: Was wäre, wenn<br />

ihr diesem Laptop nicht trauen könnt? Wenn er heimlich all unsere Anweisungen aufzeichnet? Wenn er uns ausspioniert?<br />

Was wäre, wenn ihr Jose Luis und mir nicht trauen könnt?“<br />

Mehr wohlwollendes Gickeln. Ein bisschen wärmer als vorher, bieriger.<br />

„Ich mein das so“, sagte ich. „Wenn wir auf der falschen Seite wären, dann würde all das hier uns alle – euch alle<br />

– in die Scheiße reiten. Vielleicht in den Knast.“<br />

Die Gickler wurden nervöser.<br />

„Und deshalb mach ich jetzt das hier“, sagte ich und nahm einen Hammer zur Hand, den ich aus Dads Werkzeugkiste<br />

mitgebracht hatte. Ich stellte den Laptop neben mir auf den Felsen und holte mit dem Hammer aus, Jolu mit<br />

der Lampe immer an der Bewegung dran. Crash – ich hatte immer davon geträumt, einen Laptop mit einem Hammer<br />

zu töten, und jetzt tat ich es. Es fühlte sich pornomäßig gut an. Und schlecht zugleich.<br />

Smash! Das Monitorpanel fiel raus, zersplitterte in Millionen Teile und gab die Tastatur frei. Ich schlug weiter<br />

darauf ein, bis die Tastatur runterfiel und Hauptplatine und Festplatte sichtbar wurden. Crash! Ich zielte genau<br />

auf die Festplatte und hieb mit aller Kraft auf sie ein. Es dauerte drei Schläge, bis das Gehäuse zerbarst und das zerbrechliche<br />

Innenleben freigab. Ich hämmerte weiter, bis nur noch feuerzeuggroße Einzelteile übrig waren, dann<br />

packte ich alles in einen Müllsack. Meine Zuschauer jubelten frenetisch – laut genug, dass ich ernsthaft begann,<br />

mir Sorgen zu machen, dass uns jemand von oberhalb über die Brandung hinweg hören und die Gesetzeshüter<br />

rufen könnte.<br />

„Das wäre das!“, rief ich. „Also, wenn mich jetzt jemand begleiten möchte – ich trage das jetzt runter zum Meer<br />

und spül es zehn Minuten im Salzwasser.“<br />

Zuerst fand der Vorschlag keinen Zuspruch, aber dann kam Ange nach vorn, nahm meinen Arm in ihre warme<br />

Hand und flüsterte mir „das war wundervoll“ ins Ohr; dann gingen wir zusammen runter zum Strand.<br />

Es war völlig dunkel unten am Wasser und nicht ungefährlich, selbst mit unseren Schlüsselanhänger-Lampen. Rutschige,<br />

scharfkantige Felsen überall, auf denen auch schon ohne drei Kilo pürierter Elektronik in ner Plastiktüte<br />

schwer balancieren war. Ein Mal rutschte ich aus und war drauf gefasst, mir was aufzuschlagen, aber sie angelte<br />

mich mit erstaunlich festem Griff und hielt mich aufrecht. Ich wurde ganz nah an sie rangezogen, nah genug, um<br />

ihr Parfum wahrzunehmen, einen Duft nach neuen Autos. Ich liebe diesen Duft.<br />

„Danke“, brachte ich raus und schaute ihr in die großen Augen, die von ihrer männlichen, schwarz gefassten Brille<br />

noch vergrößert wurden. Ich konnte im Dunkeln nicht erkennen, welche Farbe ihre Augen hatten, aber ich tippte<br />

auf was Dunkles, soweit man aus ihrem dunklen Haar und olivbraunen Teint darauf schließen konnte. Sie wirkte<br />

südländisch, vielleicht mit griechischen, spanischen oder italienischen Wurzeln.<br />

Ich bückte mich und ließ den Beutel im Meer mit Salzwasser volllaufen. Dabei brachte ichs fertig, auszurutschen<br />

und meinen Schuh zu fluten; ich fluchte und sie lachte. Seit wir zum Ufer aufgebrochen waren, hatten wir kaum<br />

ein Wort gewechselt. Es war etwas Magisches um unser Stillschweigen.<br />

Bis zu diesem Tag hatte ich insgesamt drei Frauen geküsst, den Heldenempfang in der Schule nicht mitgerechnet.<br />

Das ist keine beeindruckende Zahl, aber so ganz winzig ja auch nicht. Ich habe ein passables Frauenradar, und ich<br />

glaube, ich hätte sie küssen können. Sie war nicht h31ß im traditionellen Sinn, aber ein Mädchen und eine Nacht<br />

und ein Strand, das hat schon was; außerdem war sie smart, leidenschaftlich und engagiert.<br />

Aber ich küsste sie nicht und nahm sie auch nicht bei der Hand. Stattdessen erlebten wir einen Moment, den ich<br />

nur als spirituell bezeichnen kann. Die Brandung, die Nacht, das Meer und die Felsen, dazu unser Atmen. Der<br />

Moment dehnte sich aus. Ich seufzte. Was für eine Aktion! In dieser Nacht würde ich noch eine Menge zu tippen<br />

x Cory Doctorow: Little Brother

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